elbsttrunk Beim Abschied,
erzählte mir Grabbe, drückte seine Mutter ihm
ein Paket in die Hand, worin, weich umwickelt mit Baumwolle, sich ein halb Dutzend
silberne Löffel nebst sechs dito kleinen Kaffeelöffeln und ein großer dito Potagelöffel
befand, ein stolzer Hausschatz, dessen die Frauen aus dem Volke sich nie ohne
Herzbluten entäußern, da sie gleichsam eine silberne Dekoration sind, wodurch
sie sich von dem gewöhnlichen zinnernen Pöbel zu unterscheiden glauben. Als
ich Grabbe kennen lernte, hatte er bereits den Potagelöffel, den Goliath, wie
er ihn nannte, aufgezehrt. Befragte ich ihn manchmal, wie es ihm gehe, antwortete
er mit bewölkter Stirn lakonisch: ich bin an meinem dritten Löffel, oder ich
bin an meinem vierten Löffel. Die großen gehen dahin, seufzte er einst, und
es wird sehr schmale Bissen geben, wenn die kleinen, die Kaffeelöffelchen, an
die Reihe kommen, und wenn diese dahin sind, gibts gar keine Bissen mehr. Leider
hatte er recht, und je weniger er zu essen hatte, desto mehr legte er sich aufs
Trinken und ward ein Trunkenbold. Anfangs Elend und
später häuslicher Gram trieben den Unglücklichen, im Rausche Erheiterung oder
Vergessenheit zu suchen, und zuletzt mochte er wohl zur Flasche gegriffen haben,
wie andere zur Pistole, um dem Jammertum ein Ende zu machen. »Glauben Sie mir«,
sagte mir einst ein naiver westfälischer Landsmann Grabbes, »der konnte viel
vertragen und wäre nicht gestorben, weil er trank, sondern er trank, weil er
sterben wollte; er starb durch Selbsttrunk.« - Heinrich Heine, Memoiren
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