Selbstmord, eitler In ihrem Zimmer im ersten Stock packt Lady Mary Wimsey ihren Koffer und schreibt ihrer Familie einen Abschiedsbrief. Gleichzeitig setzt Cathcart seinen Namen unter seinen Brief, dann nimmt er den Revolver und eilt in den Garten, in das Dickicht. Dort geht er auf und ab, nur Gott kennt seine Gedanken, zweifellos läßt er sich seine Vergangenheit durch den Kopf gehen, Gewissensbisse plagen ihn, Erbitterung gegen die Frau, die ihn ruiniert hat, packt ihn. Er denkt auf einmal an das kleine Liebespfand, an die Brillantkatze, die ihm seine Mätresse geschenkt hat, damit sie ihm Glück beim Spiel bringe! Jedenfalls will er nicht mit diesem Amulett auf seinem Herzen sterben. Wütend wirft er es von sich. Dann setzt er den Revolver an den Kopf.

Aber etwas hält ihn zurück. Nur das nicht! Nur das nicht! Er sieht im Geiste seinen greulich entstellten Kopf, das zerschmetterte Kinn, die herausgetretenen Augen, das verspritzte Blut und Hirn. Nein! Die Kugel soll sauber das Herz durchdringen. Selbst jetzt ist ihm der Gedanke unerträglich, nach seinem Tod grauenhaft auszusehen! Er setzt den Revolver auf die Brust und drückt ab. Mit einem Stöhnen bricht er zusammen. Die Waffe fällt ihm aus der Hand, seine Finger verkrampfen sich vor der Brust. Der Jagdhüter, der den Schuß hörte, wundert sich, daß Wilddiebe sich so nah ans Haus heranwagten. Warum sind sie nicht im Moor? Dann denkt er an die Hasen in der Schonung. Er nimmt seine Laterne und sucht im strömenden Regen das Gelände ab. Er findet nichts und kehrt in sein warmes Bett zurück. Mitternacht geht vorüber, es wird ein Uhr.

Der Regen läßt nach. Was geschieht im Dickicht? Eine Bewegung. Der von der Kugel getroffene Mann bewegt sich, er stöhnt leise, richtet sich halb auf. Bis auf die Knochen durchfroren, vom Blutverlust geschwächt, vom Wundfieber geschüttelt, erinnert er sich nur dunkel an seine Absicht. Er betastet die Wunde in seiner Brust. Er zieht sein Taschentuch hervor und preßt es auf die Stelle. Dann schleppt er sich taumelnd vorwärts. Das Taschentuch fällt zu Boden und bleibt neben dem Revolver im Laub liegen. Irgend etwas in seinem schmerzenden Hirn sagt ihm, daß er zum Haus kriechen muß. Er fühlt sich elend, er hat Schmerzen, kalte und heiße Schauer durchjagen ihn, er hat entsetzlichen Durst. Jemand wird ihn ins Haus hineinlassen, wird gut zu ihm sein, wird ihm etwas zu trinken geben. Taumelnd geht er voran, ab und zu sinkt er in die Knie, stützt sich mit den Händen auf den Boden, schleppt sich auf dem Bauch weiter, reißt sich wieder hoch auf seinem entsetzlichen Weg zum Haus. Nun geht er, nun kriecht er, schleppt seine schweren Glieder. Endlich die Wintergartentür! Hier wird ihm Hilfe zuteil werden. Und in dem Eimer neben dem Brunnen gibt es Wasser, um seinen furchtbaren Durst zu löschen. Auf Händen und Knien rutscht er hin, richtet sich mühsam auf. Das Atmen wird immer schwerer, ein schweres Gewicht scheint ihm die Brust einzudrücken. Er bäumt sich auf. Entsetzlicher Husten befällt ihn. Blut strömt ihm aus dem Mund. Er bricht zusammen. Es ist vorbei!  - Dorothy Sayers, Lord Peters schwerster Fall. Bern München 1976

Selbstmord Eitelkeit

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