elbstmord, umständlicher   Daß man sich durch den Sitz der Wunde niemals täuschen lassen darf, beweisen zwei Fälle. Im Wiener Prater hatte sich ein Mann in Gegenwart mehrerer Personen getötet, indem er sich mit einem Revolver in den Hinterkopf schoß. Wären nicht die Aussagen der Zeugen vorgelegen, hätte wohl kaum jemand an einen Selbstmord geglaubt. Ein Soldat tötete sich durch einen in den Rücken gehenden Schuß aus einem Militärgewehr, über das er nach entsprechender Fixierung sich gelegt hatte.   - Handbuch für Untersuchungsrichter, nach: S.S. van Dine, Der Mordfall Greene. Köln 1991 (zuerst 1927)

Selbstmord, umständlicher (2)  Es wurde zeitlich morgens dem UR. die Meldung von der Auffindung eines ›Ermordeten‹ überbracht. An Ort und Stelle fand sich der Leichnam eines für wohlhabend geltenden Getreidehändlers M., auf dem Gesichte liegend, mit einer Schußwunde hinter dem rechten Ohre. Die Kugel war über dem linken Auge im Stirnknochen steckengeblieben, nachdem sie das Gehirn durchdrungen hatte. Die Fundstelle der Leiche befand sich etwa in der Mitte einer über einen ziemlich tiefen Fluß führenden Brücke. Am Schlusse der Lokalerhebungen und als die Leiche eben zur Obduktion fortgebracht werden sollte, fiel es dem UR. zufällig auf, daß das (hölzerne und wettergraue) Brückengeländer an der Stelle, wo auf dem Boden der Leichnam lag, eine kleine und sichtlich ganz frische Beschädigung aufwies, so als ob man dort (am oberen Rande) mit einem harten, kantigen Körper heftig angestoßen wäre. Der Gedanke, daß dieser Umstand mit dem Morde in Zusammenhang stehe, war nicht gut von der Hand zu weisen. Ein Kahn war bald zur Stelle und am Brückenjoche befestigt; nun wurde vom Kahne aus (unter der fraglichen Stelle) der Flußgrund mit Rechen an langen Stielen sorgfältig abgesucht. Nach kurzer Arbeit kam wirklich etwas Seltsames zutage: eine 4 m lange starke Schnur, an deren einem Ende ein großer Feldstein, an deren anderem Ende eine abgeschossene Pistole befestigt war, in deren Lauf die später aus dem Kopfe des M. genommene Kugel genau paßte. Nun war die Sache klarer Selbstmord; der Mann hatte sich mit der aufgefundenen Vorrichtung auf die Brücke begeben, den Stein über das Brückengeländer gehängt und sich die Kugel hinter dem rechten Ohre ins Hirn gejagt. Als er getroffen war, ließ er die Pistole infolge des durch den Stein bewirkten Zuges aus und diese wurde von dem schweren Steine an der Schnur über das Geländer und in das Wasser gezogen. Hierbei hatte die Pistole, als sie das Geländer passierte, heftig an dieses angeschlagen und die betreffende Verletzung erzeugte. - Handbuch für Untersuchungsrichter, nach: S.S. van Dine, Der Mordfall Greene. Köln 1991 (zuerst 1927)

Selbstmord, umständlicher (3)  »Was geht dich das an?« fragte die Katze. »Er ist  eben unglücklich, und was weiter!«

»Er ist nicht unglücklich«, sagte die Maus, »er leidet. Ich kann es nicht ertragen. Und dann wird er ins Wasser fallen, er beugt sich immer zu weit vor.«

»Also gut, wenn das so ist, dann will ich dir diesen Dienst erweisen«, sagte die Katze. »Aber ich weiß gar nicht, warum ich sage ›wenn das so ist‹, denn ich verstehe überhaupt nichts.«

»Du bist sehr gütig«, sagte die Maus.

»Leg deinen Kopf in mein Maul und warte ab«, sagte die Katze.

»Dauert es lange?« fragte die Maus.

»Gerade so lange, bis jemand auf meinen Schwanz tritt«, sagte die Katze. »Es muß eine Reflexbewegung sein. Aber hab keine Angst, ich lege den Schwanz aus.«

Die Maus schob die Kiefer der Katze auseinander, legte ihren Kopf zwischen die spitzen Zähne und zog! ihn sogleich wieder zurück.

»Sag mal, hast du heute morgen Haifisch gegessen?« fragte sie.

»Nun hör mal zu«, sagte die Katze, »wenn dir das nicht paßt, dann mach, daß du wegkommst. Die Sache hängt mir langsam zum Halse heraus. Dann mußt du eben allein damit fertig werden.«

Sie sah zornig aus.

»Reg dich nicht auf«, sagte die Maus.

Sie schloß ihre kleinen schwarzen Augen und brachte ihren Kopf wieder in die richtige Stellung. Die Katze legte vorsichtig ihre spitzen Eckzähne auf den weichen grauen Hals. Die schwarzen Schnurrhaare der Maus verflochten sich mit ihren eigenen. Sie streckte ihren buschigen Schwanz aus und legte ihn über den Bürgersteig.

Und es kamen mit Gesang elf kleine blinde Mädchen aus dem Papst-Julius-Waisenhaus.  - Boris Vian, Der Schaum der Tage. O. O., o. J., Brigitte Liebesromane # 17

Selbstmord, umständlicher (4)  Ich hatte den Ehrgeiz, einen Mordfall zu konstruieren, den niemand aufklären konnte.

Doch wie ich jetzt erkenne, vermag kein Künstler sich mit seinem Werk allein zufriedenzugeben. Er verspürt den ganz natürlichen Wunsch nach Anerkennung. Ich möchte in aller Bescheidenheit gestehen, daß ich die jämmerliche menschliche Schwäche habe, jemand möge erfahren, wie gerissen ich gewesen bin.

Dies schließt natürlich die Annahme ein, daß das Geheimnis von Nigger Island ungeklärt bleibt. Doch vielleicht ist die Polizei auch klüger, als ich dachte. Denn schließlich gibt es drei Hinweise. Erstens: Der Polizei ist genau bekannt, daß Edward Seton schuldig war. Daher weiß sie auch, daß einer der zehn Menschen auf der Insel kein Mörder war, ganz gleich, in welchem Sinn. Es mag paradox klingen, doch daraus folgt logischerweise, daß nur diese Person als Täter in Frage kommt. Der zweite Hinweis liegt im siebten Vers des Kinderlieds. Armstrongs Tod wird mit einem »falschen Köder« in Verbindung gebracht, der ihn mitriß! Damit wird angedeutet, daß in diesem Stadium der Affäre irgendein Schwindel geschah - und daß Armstrong sich täuschen ließ und dadurch den Tod fand. Dies könnte nach einer vielversprechenden Spur klingen. Denn zu diesem Zeitpunkt gab es nur vier Personen, die außer Armstrong noch lebten, und ich war von diesen vieren eindeutig derjenige, dem er am ehesten vertraut haben würde.

Der dritte Hinweis ist symbolisch: Die gemalte Schußwunde auf meiner Stirn - es war das Kainszeichen. Ich glaube, es bleibt nur noch wenig zu sagen. Nachdem ich meine Flasche und ihre Botschaft dem Meer anvertraut habe, werde ich auf mein Zimmer gehen und mich aufs Bett legen. An meiner Brille ist ein harmloses Stück schwarze, dünne Schnur befestigt, aber es ist Gummiband. Ich werde mich mit meinem ganzen Körpergewicht auf die Brille legen. Die Schnur winde ich vorher um den Türgriff und verbinde sie, nicht zu fest, mit dem Revolver. Dann wird meiner Berechnung nach folgendes geschehen:

Mit der durch ein Taschentuch geschützten Hand werde ich auf den Abzug drücken. Meine Hand fällt herunter, der Revolver schnellt, vom Gummiband gezogen, in Richtung Tür. Er prallt gegen den Türgriff, löst sich dadurch von dem Gummiband und fällt auf den Boden. Das Gummiband gleitet vom Griff und hängt jetzt unschuldig von der Brille unter meinem Körper herunter. Das auf dem Boden liegende Taschentuch wird nicht weiter auffallen. So wird man mich finden, ordentlich auf dem Bett ausgestreckt, durch den Kopf geschossen, so daß die Notizen und Tagebucheintragungen meiner Mitopfer wieder stimmen. Wenn man später unsere Leichen untersucht, dürfte die genaue Todeszeit nicht mehr festzustellen sein. Das Meer wird sich beruhigen, vom Festland werden Boote und Menschen kommen.

Und man wird auf Nigger Island zehn Tote entdecken und eine Serie von Morden, die nicht aufzuklären ist. Gezeichnet Lawrence Wargrave [Richter].  - Agatha Christie, Zehn kleine Negerlein. München u.a. 1996 (zuerst 1951)

 

Selbstmord

 

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