Selbsterniedrigung  Er hatte die Vorstellung, es sei die größte Erniedrigung seines Lebens, öffentlich mit einem Mann gesehen zu werden, der ihn zu betatschen versuchte. Nach seiner Ansicht war das die Erniedrigung, die sein Problem löste, danach würde er sich nie mehr für ein Mannsbild von der besten Sorte halten können, und es würde ein neues Leben beginnen. Also sagte er sich: »So, Bugli, jetzt bist du in derselben Lage wie die Frauen auf einem Haufen, die du bei den Orgien besprungen hast. Dieser widerliche Habib ist so, wie du warst, einer, der sich durchsetzen will, um sich als ein großer Mann zu fühlen, wie du, als du dir die Frau vom Chefarzt gekrallt hast.« Bugli dachte in der Wüste an die Frau des Chefarzts, das ist klar. Denn manchmal möchte einer absolut nicht mehr gewesen sein, was er gewesen ist, nur um nicht mehr das zu sein, was er in den Augen eines anderen ist.

Und außerdem, wissen wir wirklich genau, daß Habib ihn sodomisieren wollte? Er konnte auch nur ein freundlicher Mann sein, der sich mit ihm anfreunden wollte und auch seine anderen Freunde einlud, damit sie auch mit dem Fremden Freundschaft schlössen. Ich kann diese Frage nicht beantworten, also muß ich der Legende von Bugli folgen. Und die Legende sagt, daß er sich weiterhin den allzu hautnahen Freundlichkeiten entzog und es nicht duldete, daß ihm der andere seine Hand auf die Schulter und noch viel weniger auf die Hose legte. Und seine wiederholten Weigerungen wurden im Verein mit einigen drohenden Gebärden ein Grund, daß der Zuhälter seine Ehre verlor. Habib konnte auch nichts erwidern, weil der Krankenpfleger weitaus kräftiger war als er und ihm einmal eine so mächtige Ohrfeige verabreichte, daß ihm der Mund blutete, woran man erkannt hatte, daß der große Habib seine Wette verloren hatte.   - Gianni Celati, Der Lahme in der Wüste. In: G. C., Cinema naturale. Berlin 2001

 

Selbst Erniedrigung

 

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