elbsterfahrungsgruppe, kalifornische   Oben, in der Cafeteria, tauchte die Ninjette-Meisterin, einen Becher Kaffee in der Hand, während ihres Gesprächs langsam aus der Unsichtbarkeit auf. Dem Mädchen erschien das wie Zauberei. Später erfuhr sie, daß Rochelle sich hier jeden Schatten und seine Veränderungen gemerkt hatte, daß sie um jede Deckung und die genaue Position jedes Gegenstandes wußte - sie kannte den Raum so genau, daß sie ihn in seiner ganzen Transparenz und Leere verkörpern konnte.

«Könnte ich das auch lernen?»

«Dazu braucht man erhebliche Konzentration.» Ein Seitenblick. «Außerdem stellt sich die Frage, wozu du das lernen willst.» Ihre Stimme war ruhig, mit einer bedächtigen Heiserkeit, die an Alkohol und Zigaretten denken ließ. Prairie glaubte auch einen ganz leichten ländlichen Akzent auszumachen, den Rochelle zugunsten größerer Unsichtbarkeit unterdrückte.

Prairie zuckte die Achseln. «Könnte doch mal ganz nützlich sein.»

«Es braucht nichts weiter als harte Arbeit und gesunden Menschenverstand, Die erste von vielen Kunoichi-Desillusionierungen - stimmt's, DL? - besteht allerdings in der Erkenntnis, daß sich das Wissen nicht mit einem großen transzendentalen Knall über einen herabsenkt.»

«Aber die Zen-Leute, bei denen ich arbeite, sagen...»

«Jaja, so was kommt vor. Aber hier nicht. Hier arbeitet man sich vom Rand zur Mitte vor, Millimeter um Millimeter, Zehntel-s^kunde um Zehntelsekunde, verstehst du, und alles ist hart erkämpft.»

«Mit anderen Worten: Das ist nur was für Leute, die es wirklich ernst meinen?»

«Du solltest mal sehen, was für durchgeknallte Schnepfen besonders jn deinem Alter - nimm das bitte nicht persönlich -, hier angehampelt kommen, um sich mal eben ein paar geheime Kräfte unter den Nagel zu reißen. Die denken, wir schicken sie kurz durch die spirituelle Waschanlage, wo der ganze Staub der Straße abgewaschen wird und sie am anderen Ende blitzblank und nagelneu raus kommen, so daß alle, die in der Saftbar nebenan rumhängen, <Wow! schreien. So stellen die sich das vor. Zum Beispiel, daß wir sie das ganze Wochenende nicht schlafen lassen und daß sie dann vielleicht am Sonntagabend anfangen zu halluzinieren und im Geist ein Abenteuer erleben, das sie dann für eine Art Erleuchtung halten können, und wer weiß - vielleicht haben sie ja sogar recht? Oder sie verwechseln uns mit einem Nonnenorden oder einer Ballettgruppe.»   - Thomas Pynchon, Vineland. Reinbek bei Hamburg 2015