Seinslücke  Wenn ich mich von Punkt H aus auf Punkt C zu bewege, stoße ich nach siebenundachtzigtägiger Fußreise auf ein Hindernis eigener Art, ich meine damit ein Hindernis, das ich wohl sonst nirgends antreffen würde. Es handelt sich nämlich um einen riesenhaften Schlund oder, besser, um einen totalen Ausfall des Universums, der jedoch eine Dimension hat, obschon man diese weder ausmessen noch, wie alle meßbaren Dinge, erschöpfen kann. Wenn ich in diese Lücke des Seins vordringen würde, träfe ich nur auf einen Anfang von Nichts, der als solcher immer wieder von vorne anfangen könnte. Das Nichts zerfällt nicht in Teile, geht nicht zu Ende, hat keine Mitte; wo immer ich mich auch befände, ich wäre am Anfang, in der Mitte am Ende. Trotzdem regiert folgender Widerspruch diesen unendlich abschüssigen Ort: daß er nicht das ganze Universum ausfüllt - ich selbst bin der Beweis dafür - und ich ihn, obschon er notwendigerweise endlich ist, als einen unendlichen Ort bewohne. Selbstverständlich ist das Wort »bewohnen« hier völlig geistig gemeint und deutet auf keinerlei Wirkliches hin denn dieses Nichts ist unbewohnbar, nicht weil es etwa ein Verbot aussprechen würde, sondern weil es der Inbegriff des Erlaubens ist und somit jegliches Bestehen sich mit ihm vertragen kann. Es hat alle Merkmale eines Unendlichen, trotzdem muß ich annehmen, daß es endlich ist. Aber wie kann etwas endlich sein, zu dessen Wesen es gehört, ohne Ende und ohne Anfang zu sein?  - Giorgio Manganelli, Kometinnen und andere Abschweifungen. Berlin 1997
 

Sein Lücke

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