eine Zehn
Jahre war meine große, meine einzige, meine alles verzehrende Leidenschaft die
Seine. Ah! der schöne, stille Strom, wie reich an Bildern
und Gestank, an Wundern und Unrat! Ich liebte ihn so sehr, glaube ich, weil
er mir zum Sinn des Lebens geworden war. Ah! diese Fahrten entlang den blühenden
Ufern, und meine Freunde, die Frösche, die sich den Bauch auf einem Seerosenblatt
kühlten und träumten, und die Wasserlilien, kokett und schlank im feinen, hohen
Gras, die mir unter einer Weide plötzlich ein japanisches Albumblatt aufschlugen,
wenn der Eisvogel vor mir floh wie eine blaue Flamme! Wie liebte ich das alles
mit der instinktiven Liebe der Augen, die als kreatürliche und tiefe Freude
sich meinem ganzen Körper mitteilte.
Wie andere an Liebesnächte, so habe ich Erinnerungen an Sonnenaufgänge im Morgennebel, an die schwebenden, treibenden Dünste, weiß wie Totengewänder vor Tag, die dann beim ersten Sonnenstrahl, der über die Wiesen glitt, sich rosig illuminierten zum Herzentzücken; und ich habe Erinnerungen an den Mond, der das schauernde, flutende Wasser mit einem Licht versilberte, aus dem Träume erblühten.
Und all das - Symbol der ewigen Illusion - entwuchs für mich dem fauligen
Wasser, das den Schlamm von ganz Paris nach dem Meer
schleppt.
- (
nov
)
Seine (2) Die Seine trägt eine menschliche Leiche
mit sich fort. Bei solcher Gelegenheit nimmt sie feierliche Allüren an. Der-aufgedunsene
Leichnam hält sich über Wasser; er verschwindet unter einem Brückenbogen; weiter
hinten jedoch sieht man ihn von neuem erscheinen, sich langsam um sich selber
drehend wie ein Mühlrad, und von Zeit zu Zeit wieder untertauchen. Ein Schiffer
fängt ihn mit Hilfe einer Stange auf und bringt ihn an Land. Bevor man die Leiche
ins Leichenschauhaus befördert, läßt man sie eine
Zeitlang auf der Böschung liegen, um Wiederbelebungsversuche anzustellen. Die
dichte Menge versammelt sich um den Leichnam. Die hinten Stehenden, die nicht
sehen können, drängen, so sehr sie nur können die Vorderen. Jeder sagt sich:
«Ich hätte mich bestimmt nicht ertränkt.» Man beklagt den Jüngling, der Selbstmord
begangen hat; man bewundert ihn; aber man ahmt ihn nicht nach. Er jedoch hat
es ganz natürlich gefunden, sich den Tod zu geben, da er nichts auf Erden für
fähig hielt, ihn zufriedenzustellen und weil er nach Höherem strebte. Sein Antlitz
ist vornehm und seine Kleider sind reich. Ob er schon siebzehn Jahre alt ist?
Das heißt jung sterben! Die gelähmte Menge hält ihre unbeweglichen Augen weiter
auf ihn gerichtet... Es wird Nacht. Jeder zieht sich stillschweigend zurück.
Keiner wagt es, den Ertrunkenen umzudrehen, damit er das Wasser ausspeien kann,
das seinen Leib füllt. Man fürchtet, für empfindlich gehalten zu werden, und
hinter seinem Hemdkragen verschanzt, hat keiner sich gerührt. Der eine geht
seines Weges, böse ein albernes Jodellied pfeifend; ein anderer läßt seine Finger
schnalzen wie Kastagnetten. - (mal)
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