Seife  Man tröstete mich ... ich solle doch abwarten, Ruhe bewahren, mir um Himmels willen Zeit lassen, so vernahm ich es aus den Zeitungen, aus ihnen, da es keine Person meines Vertrauens gab; ja, es fing damals an, daß in den Zeitungen gelegentlich, auf den für jüngere Menschen bestimmten Seiten, Probleme zwischen den Geschlechtern gestreift wurden ... Ruhe bewahren, und es war, als ob man mir ein Stück Seife für meinen Schwanz reichte, denn die Herzen meiner künftigen Partnerinnen seien sauber. Tatsächlich, ich wußte, in ihren Herzen liebten die Weiber einen Mann wie Lenin, der keinen Schwanz besaß ... jedenfalls war nichts über den Schwanz Lenins bekannt geworden. Ach, und ich nahm das Stück Seife, und ich wusch mir den Schwanz ab, rein aus Sympathie zu den Weibern hatte ich begonnen, meinen Schwanz ebenso zu verabscheuen, wie sie es taten.  - (hilb2)

Seife (2)  Wenn ich mir damit die Hände einreibe, schäumt die Seife, jubelt sie ...

Je mehr sie die Hände willfährig macht, schmiegsam, glatt, weich, desto mehr schäumt sie, desto üppiger schäumt sie perlmutterglänzend auf...

Ein Zauberstein!

Desto schneller bildet sie mit Luft und Wasser
explosive Trauben duftender Beeren ...
Luft, Wasser und Seife
greifen übereinander, springen
Bock, gehen Verbindungen ein, weniger chemisch als
physikalisch, turnerisch, akrobatisch ...
Rhetorisch?

Über die Seife läßt sich viel sagen. Buchstäblich alles, was sie von sich selbst berichtet, bis zu ihrem völligen Verschwinden, bis zur Erschöpfung des Themas. Genau dieser Gegenstand ist mir recht.

*

Die Seife hat viel zu sagen. Sie sage es mit Begeisterung, lasse ihre Suada hervorsprudeln. Wenn sie aufgehört hat zu sprechen, existiert sie nicht mehr.

*

Eine Art Stein, der sich aber von der Natur nicht mitspielen läßt: lieber schlüpft er einem durch die Finger und schmilzt zusehends, als sich von den Wassern überrollen zu lassen.
Das Spiel besteht also darin, ihn zwischen den Fingern festzuhalten und mit der richtigen Menge Wasser zu reizen, damit eine üppige, perlmutterglänzende Reaktion erfolgt...

Läßt man ihn jedoch darin verweilen, vergeht er vor Trübnis.

*

Eine Art Stein, aber (ja! eine-Art-Stein-aber) einer, der sich nicht passiv von den Naturkräften betasten läßt: er schlüpft ihnen durch die Finger, schmilzt dort zusehends.
Er schmilzt lieber zusehends, als sich von den Wassern überrollen zu lassen.

*

Nichts in der Natur läßt sich mit der Seife vergleichen. Kein Kiesel, kein Stein, der so schlüpfrig wäre und zwischen den Fingern, wenn es gelingt, ihn dort festzuhalten und mit der richtigen Menge Wasser zu reizen, mit so üppigem Schaum reagierte, perlmutterglänzend, aus so vielen Trauben saftiger Blasen.

Hohle Beeren, seifenduftende Beeren!
Ballungen.
Sie schlürft die Luft, schlürft das Wasser rund um die Finger.

Obwohl sie zunächst träge und amorph in einer Schale ruht, hat die Seife es in der Hand, unsere Hände gefällig, willfährig zu machen, damit sie sich des Wassers bedienen, das Wasser bis ins Letzte für sich nutzen.

Und so gleiten wir von den Wörtern zu den Bedeutungen: in einem klaren Rausch oder vielmehr einem Aufwallen, einem kalten Brodeln, regenbogenfarben, doch klar, aus dem man im übrigen mit saubereren Händen hervorgeht als vor Beginn dieser Übung.

Die Seife ist eine Art Stein, aber kein natürlicher: empfindlich, verletzbar, kompliziert.

Sie hat eine besondere Art von Würde.

Weit davon entfernt, sich zum Vergnügen (oder auch nur als Zeitvertreib) von den Kräften der Natur mitspielen zu lassen, schlüpft sie ihnen durch die Finger; schmilzt dort lieber zusehends, als sich passiv von den Wassern überrollen zu lassen.  - Francis Ponge, Die Seife.  Neuwied und Berlin 1969

Seife (3)  Gehen wir noch weiter und sagen, daß für jegliche ernsthafte Säuberung ein Stück Seife nötig ist; man kann sagen, das genügt.

Es hat sich in der Tat erwiesen, daß man mit Wasser allein sich nicht richtig säubern kann. Nicht einmal unter Sturzbächen reinsten Wassers. Oder im Schweigen der schwärzesten und kältesten Quelle, wo du, o Jüngling, versucht werden könntest, dich zu ertränken. Selbst dann nicht, wenn man in den Brunnen der Wahrheit tauchte! Nichts von all dem könnte bewirken, daß der Schmutz auf unserer Haut auch nur die Stirn runzelte. Auch führt es zu nichts, unter der Pumpe zu leben, wo man Gefahr läuft, am Schluckauf zu sterben. Und nur um der Erinnerung willen zitiere ich die gänzlich überholte Möglichkeit, die darin besteht, in irgendeinen schalen Nebenfluß des Toten Meeres (in| ein Wasser, das zum Toten Meer hinfließt) mit gekreuzten Armen bis zum Gürtel einzutauchen und dort einige Gebetsblasen hervorzublubbern, während man mit zwei nassen Fingern Stirn, Nabel und Brust berührt. Dann lieber die geringste Schüssel und das kleinste Stück Seife!

Über die Seife läßt sich viel sagen. Buchstäblich alles, was sie von sich selbst berichtet, wenn man sie mit Wasser auf eine bestimmte Weise reizt. Gleich scheint sie gewillt, viel zu reden. Soll sie nur. Mit Begeisterung, sprudelnd. Bis sie in der Erschöpfung ihres eigenen Themas verschwindet. Wenn sie aufgehört hat zu reden, existiert sie nicht mehr. Je mehr Zeit sie sich nimmt, je länger sie reden kann, je langsamer sie schmilzt, desto besser ist ihre Qualität.

Natürlich sagt sie immer dasselbe. Und sie sagt es jedem ohne Unterschied. Sie äußert sich allen gegenüber in derselben Weise.

Ein schwatzhafter Stein...

Daß sich viel, beinah unendlich viel über die Seife sagen läßt, liegt auf der Hand. Vielleicht auch mehr faseln als sagen. Hier ist eine gewisse äußerst flüssige Redeweise am Platz. Und eine gewisse Begeisterung, sich aufzulösen, sich hinzugeben.

Auch zögere man nicht, immer wieder dieselben Dinge zu sagen. Und sie in immer derselben Weise zu sagen. Und sie jedwedem in derselben Weise zu sagen -jubelnd, versteht sich. Aber das Wunderbarste ist, daß man aus diesen Übungen mit reineren Händen hervorgeht. Das ist der tiefere Sinn.

Und es versteht sich auch, daß diese Übung der geistigen Hygiene in höchstem Maße zuträglich ist.  - Francis Ponge, Die Seife.  Neuwied und Berlin 1969

Seife (4)  Meine Damen und Herren,

die Seife, die Seifenkugel: Sie wissen, was das ist. Sie kennen das gut, diese Sache, das Material, diese Art der Zusammensetzung aus Fetten (daher in Wasser nicht löslich) und kaustischer alkalischer Salze, die schmutzlösende Tugenden hat und deren man sich bedient, um allerlei zu säubern und weißzuwaschen, insbesondere Ihre Wäsche und gar Ihre Haut.

Plinius läßt durchblicken, daß es sich um eine gallische Erfindung handelt: »Galliarum hoc inventum«, sagt er (XXXIII, 12, 51).

Das griechische Wort - woher sicherlich das lateinische sapo, das französische savon, das englische soap stammen und vielleicht auch, obwohl mir das weniger auf der Hand zu liegen scheint, Ihr deutsches Seife - sei gleichfalls gallischen (keltischen) Ursprungs.

Die Sache, die dieses Wort bezeichnet und die in unseren Bereichen seit immerhin zwei oder drei Jahrtausenden außerordentlich häufig verwendet wird, bietet sich in Form von Stücken, Steinen, Semmeln, Kugeln verschiedener Modelle und Qualität dar; bisweilen als Paste, Pomade, Salbe. Sie ist im höchsten Grade wasserlöslich, aber wie bei allen viskosen Flüssigkeiten, auf die man einschlägt, die man quirlt oder hinabgießt, können die eingeschlossenen Luftblasen ihre Hülle sprengen und nehmen das Wasser mit, indem sie als Gischt oder Schaum aufsteigen.

Dadurch wird der Vorgang der Reinigung und des Weißwaschens, zu dem man sie benutzt, sehr gefördert. Außerdem macht es diesen Vorgang in gewisser Hinsicht erfreulich. Und wie sollte es einem entgehen, daß die betreffende Freude mit Gewißheit dadurch ihren Höhepunkt erreicht, daß man dem durch plötzlichen und schwungvollen Zusatz einer weiteren Wassermenge leicht ein Ende machen kann! Welch herrliche Be-wimpelung resultiert alsbald, wenn es sich um Wäsche handelt - und überhaupt, ob es sich nun um Wäsche handelt oder Zähne oder Haut, selbst Geschirr oder Wagen, welcher Stolz, welch gutes Gewissen, welche Freude!

Und ist es bei den Worten und Figuren, die das adäquat bewußt machen können, nicht offensichtlich, daß sie auserkorene Zeichen und Modi des reinen Jubels an sich werden...

Ist dies nicht wert, daran zu arbeiten?   - Francis Ponge, Die Seife.  Neuwied und Berlin 1969

 

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