Segel   Es wird so oft davon gesprochen, welch wundervollen Anblick ein Schiff unter vollen Segeln bietet. Es gibt aber nur sehr wenige Menschen, die wirklich ein Schiff unter allen Segeln gesehen haben. Meist bezeichnet man es schon als „unter vollen Segeln", wenn es alle Raa- und Stagesegel gesetzt hat. Ein Schiff kann aber in Wirklichkeit nur dann alle Segel setzen, wenn ein leichter, stetiger Wind von achtern, oder besser noch etwas seitlicher als achtern, weht. Dann bietet es mit all den schweren und leichten Segeln und den Leesegeln auf beiden Seiten einen herrlichen Anblick. Das hat aber selbst mancher Seemann, der lange Jahre zur See gefahren hat, nicht gesehen. Vom Deck des eigenen Schiffes ans hat man auch kaum die Übersicht, man muß es schon an einem andern Schiffe sehen.

Eines Nachts hatte ich in der Passatgegend auf der Nock des Außenklüverbaumes irgendeine Arbeit auszuführen. Als ich damit fertig war, blieb ich noch einige Zeit draußen und bewunderte den herrlichen Anblick, den das Schiff von hier aus bot. Da ich so weit draußen war, so hatte ich das Gefühl, als ob ich gar nicht zu dem Schiff gehöre. Es war, als ob ich ein fremdes Schiff vor mir hätte. Nur von dem kleinen schwarzen Schiffsrumpf getragen, türmten sich die Segel auf wie eine Pyramide. Nach beiden Seiten ragten sie weit außenbords und reichten, wie es in der Dunkelheit schien, bis in die Wolken. Die See war fast spiegelglatt. Der leichte Passat wehte ruhig und gleichmäßig von achtern. Der dunkelblaue Himmel war mit den tropischen Sternen besät. Nichts war zu hören als das leichte Rauschen der Bugwelle. Breit und hoch spannten sich die Segel aus. Die beiden Unterleesegel ragten nach beiden Seiten weit außenbords. Die Marsleesegel erschienen wie Flügel, die den Marssegeln angesetzt waren, und darüber standen die Bramleesegel. Noch höher breiteten sich kühn die beiden Royalleesegel aus, und die Spitze dieser imposanten Segelpyramide bildete das kleine Skysegel, das die Sterne zu berühren schien. Bei der gleichmäßigen Brise standen sämtliche Segel voll, daß auch nicht die leiseste Bewegung im Tuch zu erkennen war. Ich war in diesen Anblick so vertieft, daß ich den Matrosen, der mit mir auf den Klüverbaum hinausgekommen war, ganz vergessen hatte. Auch er, ein alter Kriegsschiffsseemann, stand noch ganz unter dem Einfluß dieses erhabenen Bildes. Er schaute auf die unbeweglichen Segel und sagte vor sich hin: „Wie ruhig sie arbeiten."   - (dana)
 

 

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