eele,
russische
Orten hat durchaus Mühe, sich nicht einwickeln zu lassen, er
kennt es schon aus dem Kino, diese Großzügigkeit, die weite russische Seele.
Aber er trauert noch um Palach, um den zerschlagenen Elan von '68, die schon
vergessene Lust, sich mit dem Staat einzulassen, ihn von Grund auf zu verändern.
Er erinnert sich an die Panzer mit den übermüdeten, verwirrten Soldaten, kahlgeschoren,
runde Köpfe — wie alt bist du, fragte er einen — sechzehn. Sie sollten hier
eine Konterrevolution bekämpfen, sagte der Junge durch seine nasse Machorka,
Rotz und Tränen im Gesicht. Viele wußten nicht wo sie waren — Frankreich oder
Deutschland, irgendwo in Europa. Diejenigen, die es wußten, ließen sich nicht
blicken. Ihre Bestürzung, als die Leute sie russisch anredeten, die Beschämung,
daß sie gemeinsam mit den Deutschen gegen ihre Brüder angerückt waren. Er sah
alte Frauen in Prag 6, dem russischen Emigrantenviertel von 1917, die sich auf
die Straße geschleppt hatten und die Soldaten fragten, mit dem Gesicht ihrer
Großmütter, Söhnchen, was tust du hier? Sie heulten, den Kopf auf die Windschutzscheiben
der Gasiks gelehnt, und die alten Frauen streichelten ihnen über die Stoppelschädel
- fahrt heim, Kinder, bevor ein Unglück passiert.
In dieser Herzlichkeit ist auch die heilige Geduld der Russen — Geduld mit
allen Stalins, mit Breschnews. Nein, danke, keine Pirogge. - Libuše Moníková, Die Fassade. München
1990
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