eelchen Mark
Aurel zitiert wohlwollend die Beschreibung eines Mannes durch seinen Meister
Epiktet: »Ein Seelchen bist du, das einen Leichnam
trägt.« - David B. Morris, Geschichte des Schmerzes. Frankfurt am Main 1996
Seelchen (2) Am Abend zogen wieder Wolken auf, und Kukin sprach mit hysterischem Gelächter:
»Na was schon; Immer los! Möge es den ganzen Garten überschwemmen, meinetwegen auch mich noch dazu! Auf daß ich kein Glück mehr auf dieser noch in jener Welt habe! Mögen die Artisten mich ruhig verklagen! Was bedeutet für mich das Gericht; Sollen sie mich nur zur Zwangsarbeit nach Sibirien schicken! Meinetwegen aufs Schafott! Hahaha!«
Und am nächsten Tage das gleiche..,
Olenka hörte Kukin schweigend und ernsthaft zu, und es konnte passieren,
daß Tränen in ihre Augen traten. Und zum Schluß verfehlte Kukins Ungemach nicht,
sie zu rühren, und sie gewann ihn lieb. Er war klein von Wuchs, er war hager,
mit gelblichem Gesicht und in die Schläfen gekämmtem Haar, er sprach mit dünnem
Tenor und verzog, sobald er sprach, den Mund; und sein Gesicht zeigte immer
nur die eine Miene der Verzweiflung; dennoch aber erweckte er in ihr ein echtes
und tiefes Gefühl. Sie mußte immer irgend jemanden liebhaben, es ging nicht
ohne das. Früher hatte sie ihr Papachen geliebt, der jetzt krank in einem dunklen
Zimmer im Sessel saß und schwer schnaufte; sie hatte ihre Tante geliebt, die
gelegentlich, einmal in zwei Jahren, aus Brjansk herreiste; und noch früher
hatte sie, als sie ins Progymnasium ging, den Lehrer der französischen Sprache
geliebt. Sie war ein stilles, gutherziges und mitleidiges Fräulein mit sanften
und weichen Blicken, dabei sehr gesund. Beim Anblick ihrer vollen rosigen Wangen,
ihres weichen weißen Halses mit dem dunklen Leberfleck und ihres gütigen naiven
Lächelns, das stets zu sehen war, wenn sie etwas Angenehmes zu hören bekam,
dachten die Mannsbilder: jawohl, ganz passabel...! und mußten ebenfalls lächeln;
die Damen aber, die bei ihr zu Gast waren, konnten sich nicht beherrschen, sondern
ergriffen plötzlich mitten im Gespräch ihre Hand und äußerten dabei voller Zufriedenheit:
»Seclchen!« - Anton Tschechow, Seelchen. Nach
(tsch)
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