Seebestattung   Als die schräge Planke ihre Last ins Meer gleiten ließ, wurde ein seltsames menschliches Murmeln hörbar, das sich jetzt mit einem anderen wirren Geräusch mischte. Dies rührte von einigen größeren Seevögeln her, die durch die ungewöhnliche Bewegung des Wassers aufmerksam wurden und kreischend zu der Stelle hinflogen, wo die mit Geschossen belastete Hängematte schwer aufschlug und im Meer versank. So nahe kamen sie an das Schiff heran, daß man das schrille Geräusch und das knöcherne Knirschen ihrer schmalen doppeltgegliederten Schwingen hören konnte. Wahrend das Schiff unter einer leichten Brise weitersegelte und den Begräbnisplatz hinter sich ließ, fuhren sie fort, ihn in niedrigem Flug mit den huschenden Schatten ihrer ausgestreckten Schwingen und dem Requiem ihrer abgerissenen Schreie zu umkreisen. Für Seeleute, die so abergläubisch waren wie die vergangener Zeiten, dazu Kriegsschiffsmatrosen, die gerade das Wunder des reglos in der Luft hängenden und jetzt in die Tiefe versinkenden Körpers vor Augen gehabt hatten, für solche Seeleute war das Verhalten der Seevögel, wenn es auch nur von tierischer Beutegier bestimmt war, voll von nicht alltäglicher Bedeutung. - Herman Melville, Billy Budd, Vortoppmann. Nach: H. M., Redburn. Israel Potter. Sämtliche Erzählungen. München 1967  (zuerst 1854)

Seebestattung (2) Der Wachhabende hebt das Ende des Brettes, Gussew gleitet ab, fliegt mit dem Haupt abwärts, dann dreht er sich in der Luft um und - platsch! Schaum bedeckt ihn, und einen Augenblick lang ist er in ein Spitzengewebc eingehüllt; allein der Augenblick vergeht, und er verschwindet in den Wogen.

Schnell sinkt er abwärts. Ob er wohl den Meeresgrund erreichen wird? Man sagt, bis zum Meeresboden sind es vier Werst. Nachdem er acht bis zehn Ellen gesunken, beginnt er langsamer und langsamer zu sinken, er schaukelt gemessen, als überlege er es sich, und schon schwimmt er, von der Strömung erfaßt, schneller seitwärts als abwärts, Doch da begegnet ihm auf dem Wege ein Fischschwarm, den man die Lotsenfische nennt. Den dunklen Körper gewahrend, halten die Fische wie angewurzelt an und machen dann alle jäh kehrt und verschwinden. Nach weniger als einer Minute fegen sie wieder wie Pfeile auf Gussew zu und beginnen ringsum das Wasser zickzackähnlich zu durchfurchen ...

Hierauf zeigt sich ein anderer dunkler Körper. Ein Haifisch. Würdig und unwillig, als bemerke er Gussew nicht, schwimmt er unter ihn, während Gussew sich auf schien Rücken hinabsenkt; darauf wendet sich der Hai mit dem Bauch nach oben, liegt zärtlich im warmen durchsichtigen Wasser und öffnet träge den Rachen mit den zwei Reihen von Zähnen. Die Lotsenfische sind ganz entzückt; sie machen halt und schauen, was weiter wird. Nachdem der Hai mit dem Körper gespielt, schiebt er, fast ohne zu wollen, seinen Rachen unter ihn, berührt ihn vorsichtig mit den Zähnen, und schon zerreißt das  Leinen längs des ganzen Körpers vom Haupt bis zum Fuß; der eine Eisenstab fällt hinaus und stürzt, die Lotsenfische erschreckend und den Hai seitlich berührend, in die Tiefe.

Oben aber verdichten sich währenddessen dort, wo die Sonne untergeht, die Wolken: die eine Wolke ähnelt einem Triumphbogen, die andere einem Löwen, eine dritte einer Schere; aus den Wolken tritt ein breiter grüner Strahl und zieht sich bis zur Mitte des Himmels; ein wenig danach legt sich neben diesen ein violetter Strahl, neben den ein goldener und darauf ein rosenfarbener... Der Himmel wird zart fliederfarben. Diesen großartigen bezaubernden Himmel betrachtend, verdüstert sich der Ozean anfangs, doch auch er nimmt bald zärtliche, freudige und leidenschaftliche Farben an, wie man sie nur schwer in menschlicher Sprache ausdrücken kann. - Anton Tschechow, Gussew.  Nach (tsch)

 

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