Schwups!  Ich begriff den Schrecken meiner Lage.

Erstens, sie kriegt wieder ein Kind. Und sie hat sich von mir verabschiedet und ist im schwangeren Zustand irgendwohin gehumpelt, dazu noch mit dem Kinderwagen, und sie wollte mir zweitens die Dicke aufhalsen. Wer weiß, für wie lange. Was tun, o Herr, was tun? Was hat sich dieses Weib in seinem kranken Hirn noch alles ausgedacht? Wozu braucht sie noch ein Kind? Weshalb hat sie nicht rechtzeitig abgetrieben? Sie hat gestillt. Alles klar, und hat es erst gemerkt, als die Frucht schon anfing, mif den Beinen zu strampeln, ich konnte mir den ganzen Hergang genau vorstellen. Solange eine Frau stillt, kommt's häufig vor, daß die «Rote Armee» ausbleibt, wie sich meine Tochter gegenüber ihrer Freundin Lenka ausdrückte: «Bei mir ist die Rote Armee gekommen, ich kann heute keinen Sport mitmachen.» Viele fallen darauf rein. Der Rüde kommt angekrochen, das ist nicht sein Problem. Wer war dieser Rüde? Wer? Dergleiche streunende stellvertretende Direktor vom letztenmal, oder der Schlosser? Oder, und das wäre die schlimmste Variante, der Wohnungsbesitzer aus dem Norden? Wie lange soll das so weitergehen? Eine Abtreibung haben sie so spät natürlich abgelehnt. Und deshalb {ich rekonstruiere nach Erinnerungsfetzen} ging sie den Ärzten mit ihrem Eiweiß und dem hohen Blutdruck auf die Nerven: Eine Entbindung ist schädlich für mich, bitte machen Sie doch noch eine Abtreibung, auch wenn die Frist überschritten ist. Doch sie haben sie - hopp - auffrischer Tat ertappt und von einem Arzt zum andern geschickt, und dann wollten sie sie ins Krankenhaus stecken, zur Beobachtung, damit ihnen ja nichts entgeht, als hätte sie der Ehrgeiz gepackt, auch nicht ein einziges Kind zu verlieren. Als kämen sie ohne diese Kinder nicht aus. So was nennt man gewöhnlich Arbeitsrausch, der gleiche Rausch wie beim Schachspiel. Ohne Ziel, einfach so. Schwups - ein Kind! Und noch ein Kind, doch wozu, wer braucht sie schon? Man hätte jemanden finden müssen! Eine Krankenschwester im weißen Kittel, damit sie ihr eine Spritze gibt, eine Frau in Weiß, die Weiber kriegen das schon hin, auch im sechsten Monat. Andrejs Frau Nina hat von einer Nachbarin erzählt, die nicht rechtzeitig zur Unterbrechung gegangen war, sie hatte Urlaub gemacht und die Frist verpaßt, dann schickte sie die Kinder übers Wochenende weg, das war bereits im Oktober, und brachte mit Hilfe einer Spritze ein Sechsmonatskind zur Welt, es piepste die ganze Nacht bei offenem Fenster, während sie im Nachbarzimmer den Fußboden wischte, aijaijai, gegen Morgen sei es still geworden, wie sie es geplant hatte.  - Ljudmila Petruschewskaja, Meine Zeit ist die Nacht. Aufzeichnungen auf der Tischkante.  Berlin 1991 (zuerst 1990)

 

Schnelligkeit Plötzlichkeit

 

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