Schwiegervater  Am Grabe meines Schwiegervaters weinte ich, obwohl auch sein letztes Lebewohl nicht allzu zärtlich genannt werden kann. Er sagte mir auf seinem Sterbebett, wie er mich um mein unverschämtes Glück der freien Bewegung beneide, während er unter Martern an das Bett gefesselt sei. Erstaunt fragte ich ihn, was ich denn angestellt hätte, daß er mir diese Krankheit an den Hals wünsche. Er erwiderte wörtlich:

«Wenn ich dir meine Krankheit geben und dadurch gesund werden könnte, wäre ich sofort damit einverstanden. Auch wenn ich sie dir doppelt geben müßte. Ich kenne nicht den Menschlichkeitsdusel, an dem du zu leiden scheinst!»

Das war keine Beleidigung. Er wollte ganz einfach das Geschäft wiederholen, das ihm schon einmal mit mir gelungen war, und mir eine entwertete Ware anhängen. Es lag für mich sogar etwas wie eine Liebkosung darin, denn es mißfiel mir keineswegs, meine Schwäche durch den Menschlichkeitsdusel, den er mir zuschrieb, erklärt zu sehen.

Wie an allen Gräbern, an denen ich je geweint habe, galt auch an seinem mein Schmerz dem Teil meiner Person, den man da mitbegrub. Welcher Verlust! Es fehlte mir mein zweiter Vater, der meiner Kultiviertheit, meiner Schwäche immer Vorschub leistete, so gewöhnlich und ungebildet und rücksichtslos er selber war. Denn dies ist die Wahrheit: ich bin schüchtern und schwach! Ich wäre nie darauf gekommen, wenn ich nicht Giovannis Person so eingehend studiert hätte. Wer weiß, um wieviel besser ich mich auch heute erkennen könnte, stünde er mir noch zur Seite!   - (cos)

Schwiegervater (2)  „Hab mal aus 'nem Lieferwagen Pelze geklaut und wollte sie verkaufen. Die Sache ist sofort aufgeflogen. Bin eingelocht worden. Da steckte natürlich auch der Bischof dahinter. Im Knast bin ich dann so richtig verrückt geworden. Oh, Mann, was hab ich da durchgemacht. Du hast ja keine Ahnung, Kumpel, was das heißt, im Knast zu sitzen und den Bischof zum Erzfeind zu haben. Als ich dann rausgekommen bin..." Rodri tat so, als würde er lachen. Je mehr er erzählte, desto ruhiger wurde er. „... als ich dann aus dem Knast entlassen wurde, verdammte Kacke, da stand der Bischof draußen und brachte mir seine Tochter zurück, diese alte Nutte. 'Hier, nimm sie wieder mit, bevor ich sie umbringe', hat er gesagt. Verdammte Kacke, sie war halbtot, die Carmen! Halbtot hat er sie geschlagen, und dann hat er sie mir aufgehalst, die Carmen und die Kinder. Als wenn ich nicht schon genug am Hals gehabt hätte. Und dann hat er so mit dem Finger auf mich gezeigt und gesagt: 'Wehe, du kümmerst dich nicht um sie, du Wichser'. 'Wichser', hat er zu mir gesagt."

Die Erinnerung an diese Beleidigung verschlug ihm einen Moment lang die Sprache. Ein Schluck Whisky, und schon ging's ihm wieder besser. Wie ein lange unterdrücktes Rülpsen sprudelte alles aus Rodri heraus.

„Eines Tages werde ich mich rächen." Rodri hatte eine Stinkwut im Bauch. „Eines Tages nehm ich mir 'nen Hammer und hau sie kaputt, diese alte Nutte von Carmen und diese kleinen Kröten, die den ganzen Tag nur heulen und schreien und schreien..."

„Wetten, daß du dich nicht traust?"

Schweigen.  - Andreu Martín, Hammerschläge. Bühl-Moos u. Baden-Baden 1991

 

Vater

 

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