chwiegersohn
Eleonore, des Tischlermeisters älteste Tochter, ist sie nicht dem
Unbestechlichen versprochen? Es ist wahr, daß sie als seine Braut gilt und daß
sie von den Freunden des Hauses als solche betrachtet wird. Auch im Konvent
ist man dieser Ansicht und gibt ihr in vorsichtigen, aber bösartigen Witzeleien
Ausdruck. Es läge ja nahe, sie als seine Geliebte auszuposaunen, aber das wäre
in den Augen der Pariser fast eine Empfehlung, und so macht man denn Scherze
darüber, daß gerade dies nicht der Fall sei. Arme Leonore, bleiche Erscheinung,
wortkarge Ophelia dieses ewig in das Schwarz seiner Gedanken gekleideten Hamlet,
viel ist von dir wahrlich nicht zu sagen. Die Eltern freilich sind stolz darauf,
daß ihre Töchter so einflußreiche Männer haben sollen. Die jüngere, Elisabeth,
hat soeben den jungen Abgeordneten Lebas geheiratet und wird bald einen Sohn
von ihm haben, der eines Tages der Erzieher Napoleons III. werden wird. »Frau
Robespierre« - das klingt seltsam, ja es liegt etwas
Anstößiges darin, sich den Unbestechlichen als zärtlichen Gatten und idyllischen
Familienvater vorzustellen. Vater und Mutter Duplay ist denn auch bei diesem
Gedanken nicht geheuer, und obwohl ihr Mieter damit einverstanden ist, daß Eleonore
als seine zukünftige Frau betrachtet wird, so ist es doch nicht das gewöhnliche
Familienglück, das man freudig den Nachbarn erzählt und das man voll elterlicher
Genugtuung zur Schau trägt. Mutter Duplay ist mehr als einmal versucht gewesen,
ihrem Herzen Luft zu machen und die große Nachricht so öffentlich wie nur möglich
zu machen, aber sie zögert immer wieder.
Der zukünftige Schwiegersohn ist allerdings auch nicht sehr ermutigend, niemand
würde es wagen, mit ihm die üblichen Späße zu machen, mit denen man sonst wohl
auf die geheime Vertraulichkeit zwischen Brautleuten anspielt; seine gemessene
Haltung, seine ernste Miene fordern zu solchen gutmütigen Scherzen wahrlich
nicht heraus. Vielleicht fühlt die Mutter auch in dumpfer Ahnung, daß es noch
zu früh ist, die Erwartung eines irdischen Glückes mit diesem Gaste zu verknüpfen,
der auch nach langer Gewöhnung noch rätselhaft bleibt und im Schatten eines
großen, aber unbekannten Schicksals zu stehen scheint. Nein, das ist kein Schwiegersohn,
mit dem man über die zukünftige Wohnungseinrichtung plaudert. - Friedrich Sieburg, Robespierre. München 1965 (zuerst 1935)
Schwiegersohn (2)
Ixion hatte seinem Schwiegervater Deioneus, dem »Verwüstenden«, reiche Brautgabe
versprochen. Als dieser indessen kam, das Versprochene zu holen, bereitete der
Schwiegersohn eine mit feinem Holz und Staub verdeckte Feuergrube und ließ ihn
da hineinfallen. Ixion war der erste, der auf diese Weise Verwandtenmord unter
die Sterblichen brachte. Wahnsinn befiel ihn daraufhin,
und niemand wollte ihn von diesem Mord reinigen, weder Gott noch Mensch. Zeus
selbst war es, der sich seiner erbarmte und ihn nicht
nur entsühnte, sondern in den Himmel erhob, zu seinem Gast machte und mit Unsterblichkeit
beschenkte. Im Palast, wo er zu Gast war, erblickte Ixion Hera
und begehrte sie zur Liebe. Hera verriet es Zeus. Um die Wahrheit zu erfahren,
schuf dieser aus Nebel ein Abbild seiner Gattin. Ixion
umarmte die Wolke, die wie
Hera gestaltet war, und zeugte mit ihr ein Kind, halb Mensch, halb Pferd. Zeus
aber, über die doppelte Sünde des Ixion erzürnt, ließ den Frevler an ein geflügeltes
feuriges Rad binden, das in ewigem Wirbel durch die Luft
herumgetrieben wird, während der Bestrafte die Worte wiederholt: »Du sollst
dem Wohltäter mit Dank vergelten!« -
(ker)
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