chwiegermutter
Frau Milva, die scharfe endvierzigerin, schnappte wie eine kaulquappe
nach luft — der valentinohafte besucher ihrer schwiegertochter in spe hatte
sich lächelnd seines beinkleides entledigt und schwang dieses maskuline,
doch unpraktische tweedprodukt wie eine argentinische bola über seinem
implakablen brillantineschimmernden mittelscheitel, so daß sich die elastischen
hosenträger bis zur zerreißprobe strafften. Frau Milva hatte in diesem
moment die vorstellung eines tangojaulers, eines weibertoreros, eines herzbetörers,
eines eleganten kußhändchenschmeißers, eines in damenohren
winselnden eintänzers, eines zärtlich tuschelnden monolescu, einer geschniegelten
rouletteratte; er schien ihr ein seducteur in teuren sockenhaltern, ein
flüsterbariton, ein patentierter boudoirheros, ein unwiderstehlicher buenosairenser,
ein sheikh in charmeusegatjen, ein sardonischer cheese-lächler lateinischer
provenienz — frau Milva geriet in den bedenklichen zustand, in dem sich
begeisterung und sittliche empörung die waage halten, ein zustand, wo das
züngelchen nicht weiß wohin.
- H. C. Artmann,
How much, schatzi? Frankfurt am Main 1971
Schwiegermutter (2) Die Ehrfurcht
und der Schrecken, mit dem der ungebildete
Wilde seine Schwiegermutter betrachtet, gehört zu den bekanntesten Tatsachen
der Völkerkunde. Bei den Yuin-Stämmen von Neu-Südwales war das Gesetz,
das einem Manne verbot, irgendwelchen Umgang mit seiner Schwiegermutter
zu pflegen, sehr streng. Er durfte sie weder selbst, noch nach ihr hin
sehen. Es war ein Scheidungsgrund, wenn sein Schatten
auf seine Schwiegermutter fiel. Er mußte dann seine Frau verlassen, und
sie kehrte zu ihren Eltern zurück. In Neu-Britannien kann die Phantasie
des Eingeborenen Umfang und Wesen der Unglücksfälle gar nicht fassen, die
sich daraus ergeben würden, wenn ein Mann aus Versehen mit der Mutter seiner
Frau reden wollte; Selbstmord der einen Partei oder beider würde vermutlich
der einzige Weg sein, der ihnen offenstände. Die feierlichste Eidesformel,
die ein Neu-Britannier kennt, ist die: "Herr, wenn ich nicht die Wahrheit
sage, will ich hoffen, meiner Schwiegermutter die Hand zu schütteln."
- (
fraz
)
Schwiegermutter (3) DIE SCHLANGE.
In einigen Fällen wird sie mit dem Drachen verwechselt,
und wenn z. B. eine sehr bösartige Frau in eine riesige rote Schlange verwandelt
wird, so handelt es sich um dasselbe, wie wenn wir eine ebensolche Frau einen
Drachen nennen. Der Drache ist, wie wir gesehen haben, das Tier, das, aus Sümpfen
und Urwäldern geboren, bis zum Himmel aufsteigt und die Sonne mit Blitz und
Donner bekämpft. Da nun die Sonne der junge männliche Held ist, so versteht
es sich ganz von selbst, daß die frühlingsfrische Erde seine Gemahlin ist, aber
die finstere Zeit großer Feuchtigkeit und Gewitter ist seine Schwiegermutter,
und deshalb ist auch bei uns die Beziehung zwischen Schwiegermutter und Drachen
leer geworden. - Ernst Fuhrmann, Das Tier in der Religion. München
1922
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