Schwert-Fetischismus  Sie hat sich des langen Richtschwertes bemächtigt, das, soweit es sichtbar ist, ganz aus glänzendem Stahl besteht, und zieht es heraus in seiner ganzen Herrlichkeit. Der Freigelassene zögert jetzt. »Halt ein, Tribun. Vielleicht wird sie sich selber töten. Der Sekretär hat gesagt, es wäre besser, sie brächte sich selber um.« Der Tribun läßt seinen Arm schlaff herabhängen, doch ohne die Klinge fahrenzulassen, diesen einzigen brauchbaren, das heißt gemeinen Finger der Soldatenfaust.

»O wie kalt dir ist!« sagt sie. »Berühr nicht schon gleich Messalinas Herz, dort ist's so milde, du würdest dich verbrennen, wenn du aus einer solchen Kälte kommst. Auch liebtest du mich nicht, wenn ich nicht ein bißchen kokett wäre!

Ich will dir noch ein Weilchen versagen, dich zu wärmen. Meine Küsse sollen dich ganz sacht erwärmen.« Sie lehnt sich die Klinge an die Wange, als schlafe sie auf ihrem Spiegel.

»Frau«, sagt der Freigelassene zu Lepida, »weiß deine Tochter, was sie spricht?«

Lepida zieht ihren Schleier herab und schaut, mit dem Auge der Juno. Messalina hat das leichte Korsett ihres Kleides fieberhaft zerrissen, und ihr Busen ist nackt wie eine Klinge. »Luder!« sagt Euodus. »Was sagst du mir, mein großer Spiegel? Warum betrachte ich mich ganz nackt?« Sie lächelt dem Schwert zu, das wie die triefenden Fische mit den Nielloflanken schimmert und wartet, bis sein Gebieter es versenkt:

»Und du, gehst du in Kleidern ins Bad?« Der Tribun sucht mit einer groben, ungeschickten Bewegung seine Waffe freizubekommen.

»O geh nicht weg!« sagt Messalina. »Drück dich an mich. Nicht so stark! Stoß mich nicht so aus Leibeskräften zurück. Laß, ich will mich aufrichten bis zu deinem Mund.« Sie reckt sich hoch, dem Tribun entgegen. 

»O wie göttlich du bist, PHALES! Phales, ich wußte nichts vom Gott der Liebe; ich kannte alle Männer, doch du bist der erste Unsterbliche, den ich liebe! Phales, endlich, spät! Ich wußte, daß du im Garten bist; Böser, der du mir nur einen Komödianten geschickt hast, der deine Maske trug! Deine schwere Maske! Doch jetzt bist du's. Sei gegrüßt! Ihr habt sehr auf Euch warten lassen, Gebieter. Laß uns nach Hause gehn. Meine Mutter, die schaut ja nicht. Sie tut gut daran. Sie ist bloß die Witwe eines mächtigen Bartes. Sie würde nicht begreifen. Wirklich, du bist's. Ich hatte nicht geträumt, oder träumt mir jetzt?«

Euodus, blöde:»Sie träumt oder macht sich lustig.«

Messalina, in Ekstase, zum Schwert: »Sei gegrüßt!«

Und das Stahlungeheuer antwortet auf den Kuß mit einem Biß über der Kehle und schickt sich an, sie ganz zu nehmen. »Entführ mich, Phales! Die Vergöttlichung! Ich will sie auf der Stelle, bevor ich alt geworden bin! Oder laß mich auf der Stelle altern, bis zur Göttlichkeit. Entführ mich nach Hause, in den höchsten Himmel! den allerhöchsten! den ersten! Du bist der Erste, o Unsterblicher, du siehst doch, ich bin Jungfrau! Gib her, gib mir die Lampe, damit ich kleine Ve-stalin spielen kann! So jungfräulich! So spät! Glück, o wie weh du mir tust! Tote mich, Glück! Der Tod! Gib... die kleine Todeslampe. Ich sterbe, ... wußte ich doch, daß man nur an der Liebe sterben kann. Ich habe ihn... Mama!« Der Mann mit dem Schwert hält sich Messalina wie eine Viper vom Leibe. Sie streckt ihre tastenden Hände Lepida entgegen, die sich langsam entzieht. Die Matrone hat ihren Schleier wieder umgelegt und entfernt sich rückwärts. »Das ist doch ein Schwert, du Aas«, geifert der Freigelassene, »kein...« Doch nun bricht er selbst in Schluchzen aus und wirft sich wie unter dem Anhauch eines Gottes zu Boden; und seine Bisse ducken sich unter den Blumen, deren Duft von seinem Schrei glüht: »Aber ich liebe sie! ich liebe sie!« Und er keucht unter den Blumen hervor hoffnungsvoll der Erscheinung einer Frau entgegen. Keine. Die Witwe entfernt sich ernst und unerbittlich. Sie ist so verwitwet, so rein und so unerbittlich, daß sie schon sehr lange nicht mehr da ist. Und was ihre unbefleckte Haube strafft und mit einem Kopf belebt, kann nur die Göttliche Obszönität sein, die sich in die Geheimnisse ihres Gartens zurückzieht. Nur ein Gott oder ein Gespenst wirft so gerade Falten. Und eine richtige Frau wäre eher als der Sklave in Tränen ausgebrochen, und ihre Tränen hätten sie entschleiert unter dem durchnäßten Gewebe!

Der Gott ist verschwunden. In seinen Gärten sind nur noch der Tribun und Messalina; und im Maße, wie die Klinge sich von ihr zurückzieht, versinkt die Frau ins Nichts der Blumen. Der Tribun hat sein Schwert ganz herausgezogen; nach einer Weile sagt er abschließend: »Hure!«   - (mes)

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