chwere  Wie ganz anders Friedrich, an dem seinem Freunde Schleiermacher die »Leichtigkeit, mit der er sich bisweilen einem unrechtlichen Verfahren in seinen Angelegenheiten nähert«, auffiel. »Schlegel ist aber eine hohe, sittliche Natur«, setzte Schleiermacher voll Anerkennung hinzu, und es scheint fast, als ob dem ernsten, unbestechlich rechtlichen Geistlichen diese Mischung von hoher Sittlichkeit und moralischer Nachlässigkeit sehr gefallen habe. Wieviel mehr Liebe und Freundschaft erfuhr der stets inkorrekte Friedrich als sein Bruder! Wenn Wilhelm der Leichte war - zierlich und beweglich, aber ohne Größe - so war Schwere Friedrichs Wesen. Er sei, sagte seine Gattin Dorothea von ihm, was die Orgel unter den Instrumenten, die Orangenblüte unter den Blumen, die Pfirsich unter den Früchten; höchst charakteristische Vergleiche für diesen Menschen von imponierender, aber nur schwer beweglicher Masse, der erfüllt war von Gedanken und Gefühlen, von sinnlichgeistigen Schätzen, die aber, allzu tief in den Grund seines Wesens eingewühlt, nur selten, nach den mächtigsten Erschütterungen, gegen die Oberfläche stiegen. Während man Wilhelm beklagen muß, daß er nicht mehr war, möchte man Friedrich vorwerfen, daß er nicht mehr wurde. Denn die Bestimmung zur Größe war in ihm und hatte keinen andern Feind als seine weibisch-träge Sinnlichkeit. Bewege, tummle dich, schaffe, handle, möchte man ihm immer zurufen, der nicht viel andres tat als lesen, lesen und lesen. Er las so viel, wie Wilhelm schrieb. Unablässig vermehrte er seine Kenntnisse, häufte Ideen auf Ideen, die seinen schwerfälligen Geist belasteten. Es sei keine Gefahr, sagte einmal Dorothea, daß er jemals an Gehalt zu Geisteswerken verarme, allein die Gefahr sei, daß er an seiner Ideenmasse ersticke.

In seiner Konstitution lag eine Neigung zum körperlichen und geistigen Fettwerden. Sein großer, runder, priesterlicher Kopf mit den etwas schweren, sinnenden Augen und dem vollen, weichlichen Kinn, das sich zu einem doppelten ausbildete, zeigt einen bedeutenden aber bequemen Menschen. »Die Männlichkeit seiner Gestalt offenbarte sich nicht in der hervorgedrängten Kraft der Muskeln. Vielmehr waren die Umrisse sanft, die Glieder voll und rund, doch war nirgends ein Überfluß. In hellem Lichte bildete die Oberfläche überall breite Massen«, so beschreibt er selbst mit Wohlgefallen seinen behaglichen Körper. Weniges klingt so aus seinem Herzen gekommen wie seine Lobpreisungen des Müßiggangs. »O Müßiggang, Müßiggang, du bist die Lebensluft der Unschuld und der Begeisterung; dich atmen die Seligen, und selig ist, wer dich hat und hegt, du heiliges Kleinod, einziges Fragment von Gottähnlichkeit, das uns noch aus dem Paradiese blieb.« - Ricarda Huch, Die Romantik. Blütezeit, Ausbreitung und Verfall. Tübingen 1951 (zuerst 1899)

Schwere (2)

Hier nun scheint mir der Ort, bei dieser Gelegenheit gleichfalls
Dieses Gesetz zu beweisen, daß nichts durch eigenen Antrieb
Sich in die Höhe zu heben und aufzufahren imstand ist.
Laß dich dabei nicht täuschen durch brennender Körper Verhalten!
Aufwärts schlagen die Flammen und nähren sich immer nach oben.
Aufwärts wächst auch die schimmernde Frucht und die Bäume des Gartens,
Während das Schwere doch sämtlich an sich nach unten hin neiget.
Wenn zu den Dächern der Häuser das lodernde Feuer hinaufspringt
Und mit rasender Flamme beleckt das Gebälk und die Sparren,
Denke nur nicht, dies wäre sein eig'ner natürlicher Auftrieb.
Ähnlich springt auch das Blut aus geöffneter Ader im Bogen
Hoch aufschießend und spritzt nach allen Seiten den Blutstrahl.
Siehst du nicht auch, wie des Wassers Natur die Balken und Latten
Immer nach oben hin speit? je mehr du zur Tiefe sie drückest
Senkrecht hinab und mit aller Gewalt sie mühsam hinabtauchst,
Um so begieriger speit es sie aus und schnellt sie nach oben,
Daß sie sich mehr als zur Hälfte im Schuß aus dem Wasser erheben.
Trotzdem, denk' ich, bezweifeln wir nie, daß im Reiche des Leeren
All dies an und für sich nur nach unten hin müßte sich senken.
So muß also auch Feuer nach oben zu schlagen vermögen,
Wenn es der Luftdruck treibt, und doch ist die Schwere dagegen
An und für sich wohl bemüht, die Flamme nach unten zu ziehen.
Siehst du nicht, wie die Kometen den nächtlichen Himmel durchfliegen
Und weithin in die Länge die funkelnden Schweife sich nachziehn
Dahin, wohin die Natur sie die Bahn zu richten geheißen?
Siehst du zur Erde gesenkt Meteore und Sterne nicht fallen?
Hoch von dem Scheitel des Himmels herab zerstreuet die Sonne
Überallhin und sät ringsum auf den Fluren ihr Licht aus;
Folglich wenden sich auch zur Erde die Gluten der Sonne.
Auch wie der Blitz durch die Wolken sich quer durchschlängelt, beachte.
Hierher und dorther stoßen von Wolken sich lösend die Flammen
Wider einander, doch meist fällt nieder zur Erde der Blitzstrahl.

- (luk)

Gravitation
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