chweizermesser  Der Schulmeister war erschrocken oder überrascht zurückgefahren; dann sammelte er (wie man so sagt) seine Gedanken und holte sein Schweizer Messer. Messer dieser Art sind am Griff mit einem Kreuz gezeichnet und überaus fest, obwohl sie häufig nicht aus der Schweiz stammen, und das Messer Pascal Benins hielt wacker stand. Wäre es zerbrochen, so wäre der Mann möglicherweise davongekommen; aber es stand irgendwo geschrieben, es war wohl an irgendeiner Stätte beschlossen worden, daß es um ihn geschehen sein solle. Benin steckte die größte Klinge in den Riß des Steins, drückte tüchtig und zerspaltete ihn in zwei Stücke.

Das Innere bildete eine Höhlung, die mit schönen, violetten, etwas trüben Prismen bekleidet (oder vielmehr: gespickt) war, ganz gewöhnlichen Amethystkristallen. In der einen Halbkugel befanden sich drei kleine, rote Wesen, Frauen oder Mädchen, hübsch wie die reizendsten oder aufreizendsten unter denen, die sich auf Kabarettbühnen zur Schau stellen, aber höchstens so groß wie die kürzesten Wachsstreichhölzer.

Einigermaßen verwundert drehte der Schulmeister die Schale um, in der sie sich verbargen, und klopfte mit dem Finger behutsam an den Rand, damit sie den Fuß auf den Boden setzten, das heißt auf die Nachttischplatte kämen. Ihre Haut war von der Farbe reifer Johannisbeeren und so durchsichtig, daß das Skelett ein wenig zu sehen war; ihr sehr glattes Kopfhaar war ebenso schwarz wie das krause, dichte der Achselhöhlen und der Scham. Zwei von ihnen weinten und breiteten sich das lange Haar über die Körper, als schämten sie sich ihrer Nacktheit. Die andere dagegen, die ihre Gefährtinnen um etwa einen Zentimeter überragte und einen schweren Haarknoten trug, reckte sich voller Anmaßung vor dem Lehrer auf, und während sie, die Hände im Nacken verschränkt, um sich besser zur Geltung zu bringen, stehen blieb, sah er, daß sie üppige Formen besaß, so daß man ein Kapaun hätte sein müssen, wenn es einem nicht durch und durch gegangen wäre. Aber trotz seiner Begierde wagte er nicht, sie anzurühren; denn von ihrem köstlichen, winzigen Körper ging etwas Tückisches aus, wie bei gewissen Reptilen oder gewissen giftigen Insekten.

»Puellae sumus, quae vocamur lapidariae, sorores infaustae, ancillae paniscorum. Natae sumus sub sole nigro ...«

Als er sie sprechen hörte, machte er große Augen, verdutzt ob der Entdeckung, daß die Tücke dieser jungen Schlange solar sein, antik, mittelmeerisch, der Barbarei der letzten Jahrhunderte des Heidentums verwandt. Sie hatte Latein (der Verfallszeit) gesprochen, und das verstand er schlecht; es hatte seiner äußersten Aufmerksamheit bedurft, damit ihm nichts von ihrer Ansprache entging; sie war m einem Flötenton gesprochen worden, der dem Ohr angenehm, wenngleich sehr leise war und der einem um seiner infrahumanen Eigenart willen betroffen machte.

»Nudae sumus egressae ex utero magnae matris nostrae, et nudae revertamur illuc.«  - André Pieyre de Mandiargues, Die Steinhetären. In: A.P.M., Schwelende Glut. Frankfurt am Main 1995 (st 2466, Phantastische Bibliothek 323, zuerst 1959)

Schweizermesser (2)

- N. N.

Schweizermesser (3) «Das war so. In meiner ersten Zeit als Kriminalbeamter war ich in Vorarlberg stationiert. Da hat ein junger Familienvater seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern zwischen drei und sechs Jahren mit einem Schweizermesser die Köpfe abgeschnitten.»

Das hat der Brenner im Grunde nicht vollkommen erfunden, der Fall ist wirklich in die Dienstzeit vom Brenner gefallen, nur das Schweizermesser war nicht echt, das muss sich in seiner Erinnerung vermischt haben, weil die Vorarlberger wie die Schweizer reden, dass man nach so vielen Jahren glaubt, ein Messer in Vorarlberg muss ein Schweizermesser gewesen sein, obwohl es natürlich ein gewöhnliches Brotmesser war.

«Das war ein Apotheker. Möchte man meinen, er könnte mit Chemikalien töten, aber wahrscheinlich hat er die Chemika-lien zu gern gehabt und hat lieber das Schweizermesser für die Dreckarbeit genommen. Dann hat er die vier Köpfe in die Auslage seiner Apotheke gelegt, direkt neben die Kopfwehreklame. (Bekämpft den Kopfschmerz an der Wurzel), ist auf dem Plakat gestanden. Das werde ich nie vergessen.»  - Wolf Haas, wie die Tiere. Reinbek bei Hamburg 2001

 

Schweizer Messer

 

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