Schweißausbruch  Von Zeit zu Zeit brachten Severos Kinder oder seine Schwester Kaffee und Schnaps, und dann wurde fast immer alles still, als erstarrte es in seiner eigenen Bewegung, und man erinnerte sich da an die alberne Redensart: »Ein Engel fliegt durchs Zimmer«, und egal, ob ich dann ein Doublé des Schwarzen Acosta in Palermo kommentierte oder Ignacio Severos jüngstem Sohn übers Haar strich, wir spürten alle, daß die Starrheit andauerte und wir gleichsam etwas erwarteten, das schon passiert war, oder daß all das, was passieren konnte, vielleicht etwas anderes war oder gar nichts, wie in den Träumen, obgleich wir wach waren und, ohne es zu wollen, immer wieder Severos Frau weinen hörten, die verstört in einer Ecke des Wohnzimmers saß, wo sie wahrscheinlich von ihren nächsten Verwandten umgeben war, die ihr Trost zusprachen.

Man vergißt in solchen Fällen leicht die Zeit, oder vielmehr, wie der Bebe Pessoa lachend sagte, ist es umgekehrt und die Zeii vergißt uns, doch nach einer Weile kam Severos Bruder, um un< zu sagen, daß gleich der Schweißausbruch beginne, und da drückten wir unsere Zigaretten aus und betraten einer nach dem anderen das Schlafzimmer, wo wir fast alle Platz fanden, da die Familie die meisten Möbel hinausgeschafft hatte und nur noch Bett und Nachttisch darin standen. Severo hatte sich, gestützt durch die Kopfkissen, im Bett aufgesetzt, und am Fußende lagen eine Überdecke aus blauem Serge und ein himmelblaues Handtuch. Es gab keinen Grund, sich still zu verhalten, Severos Brüder forderten uns freundlich auf (sie sind alle sehr nett), ans Bett zu treten und einen Kreis um Severo zu bilden, der die Hände vor den angezogenen Knien verschränkt hatte. Selbst der jüngste Sohn, der noch klein war, standjetzt vor dem Bett und sah seinen Vater schläfrig an.

Die Phase des Schweißausbruchs brachte Unannehmlichkeiten mit sich, weil danach die Bettücher und der Pyjama gewechselt werden mußten, sogar die Kopfkissen saugten sich voll und waren schwer wie riesige Tränen. Im Gegensatz zu anderen, die, wie Ignacio sagte, schnell ungeduldig werden, bewegte sich Severo überhaupt nicht, er sah uns nicht einmal an, und sein Gesicht und seine Hände waren fast augenblicklich schweißbedeckt. Seine Knie zeichneten sich als zwei dunkle Flecken ab, und seine Schwester konnte ihm noch so off die Wangen trocknen, der Schweiß brach erneut aus und tropfte aufs Bettuch.

»Und dabei geht es ihm eigentlich ganz gut«, bemerkte Ignacio, der an der Tür stehengeblieben war. »Wäre schlimmer, wenn er sich bewegte, nasse Bettücher kleben ganz fürchterlich.«

»Papa ist ein geduldiger Mensch«, sagte Severos Ältester. »Keiner von denen, die einem viel Arbeit machen.«  - Julio Cortázar, Die Phasen von Severo. In: J. C. , Beleuchtungswechsel. Ertählungen Bd. 3  Frankfurt am Main 1998

Schweiß

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