Schweiß, kalter   Pao Yü lag noch eine Weile ganz erschöpft und benommen von seinem Traumerlebnis auf dem Lager. Es war ihm, als ob er etwas verloren hätte. Nachdem er sich mit einigen Schluck süßer Zimtsuppe gestärkt hatte, stand er auf und ließ sich von Zofe Perle in die Kleider helfen. Als sie sein Hosenband zuknüpfen wollte, glitt zufällig ihr Finger auf seinen bloßen Oberschenkel, und da spürte sie etwas, was sich wie kalter klebriger Schweiß anfühlte. Erschrocken zog sie die Hand zurück.

»Was ist mit Euch geschehen?« fragte sie leise. Sein Erröten und ein leiser Händedruck gaben ihr Antwort. Nun, Perle war an sich ein aufgewecktes Ding, überdies zwei Jahre älter als er und bereits wissend und aufgeklärt. Sie begriff sofort, errötete ihrerseits und fragte nicht weiter.

Als sie ihm an diesem Abend vor dem Schlafengehen wieder aus den Kleidern half, traf es sich, daß sie eine Weile mit ihm allein im Zimmer war.

»Nicht wahr, liebe Schwester, du behältst es bei dir?« sagte er bittend und wieder rot werdend zu ihr.

»Was habt Ihr eigentlich geträumt, daß Euch so etwas begegnet ist?« gab sie mit verstehendem Lächeln zurück. »Mit einem Wort kann ich dir das nicht erklären.« Und er begann ihr ausführlich sein Traumerlebnis zu schildern. Als er in seiner Erzählung an jene Stelle kam, da ihn die Fee über die Gebräuche des Wolken- und Regen-Verkehrs belehrte, da bedeckte Perle ihr Gesicht schamhaft mit den Händen und krümmte sich vor Lachen. Pao Yü stand mit Perle schon immer besonders vertraut. Er mochte das freundliche, hübsche Ding unter allen Zofen und Dienerinnen am liebsten. Perle wiederum war sich der besonderen Vertrauensstellung bewußt, deren sie von der Fürstin Ahne gewürdigt worden war. Da durfte sie sich im Verkehr mit ihrem Schützling schon einige Freiheiten gestatten.

Kurz, sie zögerte nicht, getreu der ihm im Traum zuteil gewordenen ›Wolken- und Regenweisung‹, es gleich einmal mit ihm zu versuchen. Zum Glück blieben sie bei ihrer Beschäftigung ungestört.  - Der Traum der roten Kammer. Frankfurt am Main 1885 (zuerst ca. 1735)

 

Schweiß

 

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