Schweinsfisch  Als Uaiçá vom Fischfang zurückkam, erfuhr er, daß seine Frau mit einem anderen Mann geschlafen hatte. Uaiçá schwieg. Dann rief er, wie immer, seine Leute, damit sie die Fische äßen, die er gebracht hatte. Nachdem er sie verteilt hatte, bat er seine Frau, ihm Wasser vom Fluß zu holen, damit er sich waschen könne. Die Frau ging fort, und ihr Liebhaber folgte ihr. Ein wenig später ging auch Uaiçá zum Fluß. Dort sah er seine Frau auf dem Schoß des Mannes sitzen, der ihr gefolgt war. Uaiçá sagte nichts. Er schaute nur mit den Augen, die er auf dem Rücken hatte. Als die Frau aufstehen wollte, konnte sie es nicht. Bald darauf kam die Schwiegermutter Uaiçás zum Flußufer. Als sie die Tochter so sah, schlug sie sie und den Mann. Die Frau versuchte abermals, sich zu befreien, aber als es ihr nicht gelang, schleppte sie sich, wie sie war, zum Fluß, bis sie hineinfiel. Da blies Uaiçá die beiden an, und sie wurden zu Schweinsfischen.   - Südamerikanische Indianermärchen. Hg. Felix Karlinger und Elisabeth Zacherl. München 1992 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Schweinsfisch (2) So wird er seit Jahrtausenden von den Japanern genannt, jener glattschuppige Bewohner der flachen Binnengewässer, welcher sowohl hinsichtlich seiner barocken Gestalt als seiner schmutzigen Lebensart solch Beinamen auch aus europäischer Sicht gewißlich nicht zu Unrecht trägt. Auch ist er, der grüne Karpfen, trotz seines auffallend rücksichtslosen Betragens, welches grob und stoßend erfolgt, des Lernens unwillig und, anders als zahlreiche seiner maritimen Schicksalsgenossen, denken wir nun an Buckelwal und Zahnbrasse, nicht geeignet für die Dressur, weshalb er wie das Schwein wohl zu gar nichts anderem zu gebrauchen ist als zum Betrachten und zum Essen, da er sich einer Menge schmackhaften Eigenfleisches erfreut, welches sich durch seine permanente Freßlust in Windeseile zu vervielfachen in der Lage weiß.

Ausgestattet mit robuster und rücksichtsloser Darmflora gilt er als der zügelloseste Rundummampfer der Unterwasserwelt. Kein Fraß übelte ihm dermaßen, als daß er ihn nicht doch verschlänge und der Verdauung zuführte. So verschmäht der Karpfen weder die alte, süßsäuerliche Schrumpelwurzel, noch den aus schützendem Kalkgehäuse geglittenen Eremitenschneck und, die seichten Gewässer behäbig durchpflügend, stellt er dem kränkelnden, bläßlich-blauen Stichlingsrüden ebenso nach, wie er schon wenig später behaglich schmatzend den mit schweren Wackersteinen versenkten, schon leicht gasenden Ehebrecher teilt. Ja, gerade eben noch leicht vibrierenden Maules schrägwinklig im Rausche unter blubberndem, kaulquappenspeienden Froschlaich schwebend, kostet er wenig später vom Kloakenauswurf des gemeinen Teichmolches, um sich kurz danach vielleicht schon wieder einen fetten Happen protzigen Nilpferdexkrementes zu genehmigen. Wen will es da verwundern, wenn der Karpfen seine Rolle als Halbgott in der shintoistischen Glaubenswelt des mittlerweile bedauerlicherweise verweltlichten Kaiserreiches Japan so glänzend ausfüllt, daß geizige, aber wohl auch ärmliche Gläubige selbst mit übelstriechendsten (!) und verdorbendsten (!) Trank- und Speiseopfern sich sein göttliches Wohlwollen billig zu erkaufen wissen!   - Ernst Kahl, Bestiarium perversum. Bd. 1. Hamburg 1985

 

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