chweineschlachten
Drey Kerls ergriffen ein Schwein, das ohngefähr 50 Pfund
schwer seyn mogte, legten es auf den Rücken, und erstickten es, indem sie ihm
queer über den Hals einen dicken Stock drückten, so, daß an jeder Seite einer
mit seinem ganzen Körper darauf ruhte. Der dritte hielt die Hinterbeine, und,
um alle Luft im Leibe zu verschließen, stopfte er dem Schwein ein Büschel Gras
in den Hintern. Nach Verlauf von 10 Minuten war das Schwein todt. Während dieser
Zeit hatten zween andre ein Feuer angemacht, um den sogenannten Ofen durchzuheizen,
der aus einer Grube unter der Erde bestand, darinn eine Menge Steine aufgepackt
waren. An diesem Feuer ward das todte Schwein gesengt, und zwar so gut als hätten
wirs in heißem Wasser gebrühet. Um es vollends rein zu machen, trugen sie es
an das See-Ufer, rieben es dort mit Sand und Kieseln, und spülten es hernach
wiederum sauber ab. Darauf ward es an den vorigen Ort zurückgebracht und auf
frische Blätter gelegt, um auch von innen rein gemacht zu werden. In dieser
Absicht ward der Bauch geöffnet, hiernächst der äußere Speck abgelöset, auf
grüne Blätter bey Seite gelegt, und dann das Eingeweide herausgeschnitten; letzteres
wurde sogleich m einem Korbe weggetragen und auch nicht wieder zum Vorschein
gebracht; doch ich bin überzeugt, daß sie es nicht weggeworfen haben. Zuletzt
nahmen sie das Blut und das innere Fett heraus, jenes ward auf grüne Blätter,
dieses aber zu dem vorher schon abgesonderten Speck geschüttet. Nachdem hierauf
das Schwein nochmals, von außen und innen, mit frischem Wasser abgewaschen war,
steckten sie etliche heiße Steine in den Bauch, und ließen solche in die Höhlung
der Brust hinunter fallen, stopften auch eine Anzahl frischer Blätter dazwischen
ein. Mittlerweile war der Ofen, der aus einer mit Steinen ausgefüllten Grube
oder Vertiefung in der Erde bestand, sattsam durchgeheizt; man nahm also das
Feuer und die Steine, bis auf die unterste Schicht, weg, die so eben als gepflastert
war. Auf diese ward das Schwein mit dem Bauch zu unterst gelegt; das Fett und
Speck aber, nachdem es sorgfältig abgewaschen, ward in einem langen Troge, der
aus einem jungen Pisangstamm ausdrücklich dazu ausgehöhlet worden, neben das
Schwein gestellt. In das Blut warf man einen heißen Stein, damit es sich verdicken
oder gerinnen mögte, alsdenn wurden kleine Portionen davon in Blätter gewickelt,
und auch diese, nebst einer Menge Brodfrucht und Pisangs in den Ofen gebracht.
Hierauf bedeckten sie alles mit frischem Laube, und dann mit dem Rest der geheizten
Steine. Über diese wurde wieder eine Schicht Blätter hingestreuet und zuletzt
noch allerhand Steine und Erde, hoch darüber aufgehäufet. Während der Zeit,
daß dies Gericht unter der Erde stobte, deckten die Leute den Tisch; das heißt,
sie breiteten an einem Ende des Hauses eine Menge grüne Blätter auf die Erde.
Nach Verlauf zwoer Stunden und zehn Minuten ward der Ofen geöffnet und alles
herausgezogen. Die Gäste setzten sich rund um die Blätter, die Eingebohrnen
an das eine und wir an das andere Ende. Da wo wir saßen, ward das Schwein aufgetragen;
an jener Seite aber, welche die Indianer eingenommen hatten, ward das Fett und
das Blut hingesetzt, welches beydes sie auch allein verzehrten und für ungemein
schmackhaft ausgaben. Dagegen ließen wir uns das Fleisch nicht minder gut schmecken,
weil es in der That ganz vortreflich zubereitet war, auch die Leute, welche
die Küche besorgten, in allen Stücken eine nachahmenswerthe Reinlichkeit beobachtet
hatten. - Kaum war das Schwein zerlegt, als die angesehensten Befehlshaber und
Errioys gemeinschaftlich darüber herfielen und ganze Hände voll des Bluts
und Fetts auf einmal verschlangen. Überhaupt aßen alle unsre Tischgenossen mit
ungewöhnlicher Gierigkeit, indeß die armen Tautaus, die in großer Menge
um uns her standen, sich an dem bloßen Zusehen genügen lassen mußten, denn für
sie blieb auch nicht ein Bissen übrig. -
(
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)
Schweineschlachten
(2) Haakon war freundlich zu mir. Er sagte, er müsse arbeiten
und habe keine Zeit für mich übrig. In nächster Zeit werde er viel auf Schweineschlachten
ausgehen müssen. Wenn es mir gefalle, könne ich ihn begleiten. Wegen der Häufung
der Aufträge nämlich hätten der Onkel und er beschlossen, daß sie getrennt arbeiten
wollten. Wie sich verstehe, werde der Onkel das Wägelchen für sich benutzen.
Vielleicht möge er, Perrudja, sein Pferd zur Verfügung stellen. Es würde das
Geschäft erleichtern. Man könne sich zu einem gewissen Zeitpunkt an einem gewissen
Ort treffen. Ich sagte sofort zu. Wohl wußte ich, daß vielleicht die Tanten
Einwendungen gegen mein langes Fortbleiben erheben könnten; aber ich war entschlossen,
ihnen zu trotzen, wenn es sein müßte. Wir trafen die Verabredung für den übernächsten
Tag. Ich hielt, was ich zugesagt. Es war eine Schlachtung bei armen Häuslern.
Der Mann war offenbar schwindsüchtig und lag im Bett. Die Frau half uns. Sie
gab dem kranken Mann von dem noch warmen Blut zu trinken. Sie wollte aus der
Gebärmutter der Sau eine Speise bereiten. Sie sagte, man hieße das Kutteln.
Ich konnte in dem Hause keinen Bissen über die Lippen bringen. Auf Geheiß Haakons
mußte ich die Eingeweide des Tieres säubern. Er meinte, ich verstünde das. Es
fiel mir sehr schwer. Mein Ekel war groß. Es gab auch Kinder in der Hütte. Sie
besorgten ein wenig Heu für das Pferd. Und trugen Wasser, daß es getränkt würde.
Als wir auf dem Heimwege waren, sagte Haakon: »Es war eine dürftige Schlachtung.«
Er bat mich, wenn ich's könnte, ihm ein Zweikronenstück zu geben. Ich konnte
es und gab es ihm. Als wir in der Nähe seines Hauses waren, stieg er aus dem
Sattel, schob mich hinein, indem er seine Hand unter meinen Schenkel legte.
Ich war dem Weinen nahe gewesen. Als ich seine Hand an mir fühlte, wurde ich
wieder ein wenig getrost. Er sagte: »Übermorgen treffen wir uns da und da.«
Ich sagte zu wie beim erstenmal. Die zweite Schlachtung war keineswegs würdiger
als die erste. Ich mußte mich grober Tierquälerei schuldig machen; wie ich sie
zuvor mit Abscheu an anderen festgestellt hatte. Ich sollte ein an einem Fuß
angeseiltes Schwein festhalten. Dafür reichten meine Kräfte nicht aus. Haakon
haderte mit mir: »Wenn man's mit den Händen nicht schaffen kann, mit den Füßen
kann man's.« Ich verstand ihn nicht. Ich verstand ihn durchaus nicht. »In den
Leib treten«, schrie er mit Wut, »die Leber sitzt rechts.« Ich schleuderte wie
ein totes Stück meinen Stiefel dem Tier in die Seite. Ich mußte es sehr schlimm
getroffen haben. Es schrie, wie ich nie ein Tier hatte schreien hören. Es kippte
um. Wir mußten es dorthin schleifen, wo Haakon es Hegen haben wollte. Er brauchte
es, um es abzustechen, nicht einmal mit der Keule zu betäuben. So stille hielt
es seinem Messer vor Schmerz. Ich weinte zitternd große Tränen. Als Haakon es
bemerkte, schlug er mich. Mit der Faust vor die Brust. Und sagte dazu: »Du bist
ein unbrauchbarer Mensch, wenn du weinst.« Der Schlag war nicht stark gewesen.
Und ich sah wohl ein, er hatte mit dem Satz recht. Am Abend des gleichen Tages,
auf dem Heimwege, forderte er mich auf, meine frierenden Hände in seine Hosentaschen
zu stecken. Das erschien mir eine so hohe Belohnung für die unglücklichen Fügungen
des Tages, daß ich wieder vollkommen ausgesöhnt wurde. Ich fühlte mich geborgener
denn je. Mir war es bewußt geworden, daß ich ihn liebte. Und daß nichts dieser
Welt an Wert ihm vergleichbar sein konnte. Ich selber mußte wohl den geringeren
Dingen zugezählt sein. Ich wurde ein Werkzeug des Älteren. Er verfügte über
mich, und ich gehorchte. - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main
1966 (zuerst 1929)
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