Schweinefutter   Das Dunkel brach herein, warm und sternenübersät. Ich war über alle Maßen niedergeschlagen und erschöpft. Diese Nacht schlief ich in einer Scheune und wurde durch das Krähen der Hähne bald nach Tagesanbruch aufgeweckt. Ich trat ins Freie, geblendet in die Sonne blinzelnd, wusch Gesicht und Hände in einem nahen Bach und gelangte, eh' mich irgend jemand sah, zu einem Dorf. So setzte ich mich unter einen nelkenbewachsenen, hagedorngekrönten Hügel auf einer Wiese, wurde wiederum schläfrig und schlummerte ein. Als ich zum andernmal aufwachte, war es zehn Uhr. Die Kirchenglocke schlug vom Turm die Zeit, und ich begab mich in ein Gasthaus, um zu essen. Eine korpulente Blondine, freundlich und gastlich, mit einem Gesicht, das auffallend dem ihrer Schweine ähnelte, die, als ich mich niedergelassen hatte, durch die offene Tür hereingrunzten - und schnüffelten, brachte mir das Gewünschte. Ich schilderte -nicht ohne flüchtige Beschämung, als übte ich Verrat - den Bauernhof, von welchem ich kam und seine ungefähre Lage.

Die kleinen blauen Augen der Wirtin glotzten mich schweinsartig mit einem flüchtigen Ausdruck an, den ich nicht zu deuten wußte. Der Name des Gehöftes lautete offenbar Trevarras. »Und haben Sie welche von den Wesen zu Gesicht bekommen?« erkundigte sie sich mit einer Stimme, die nicht völlig die ihre zu sein schien. »Die Wesen?« Ich lehnte mich einen Moment lang zurück und starrte die Sprecherin an, dann wurde mir klar, daß -Wesen- der Name meines Gastgebers sein müßte, und Maria und Christus (obgleich ich mich in diesem Fall infolge der Mundart der Frau verhört haben mochte) die Namen meiner beiden Gärtner. Die Wirtin spann eine Geschichte aus, die, soweit ich überhaupt Sinn und Zusammenhang herausbekam, höchst absurd klang. Es war abergläubisches Zeug über diesen Mann, der den empörten und neugierigen Einwohnern der Gegend zugewandert war und sich auf Trevarras niedergelassen hatte - ein fremder Pilger, ein Ausländer wohl, ein Mann von wenigen Worten und verdächtigem Verhalten - in beidem wenig aufschlußreich. Dann war da irgend etwas tdie Erzählerin legte die fetten Hände, deren eine den Trauring trug, auf das Zink des Wirtshaustisches und starrte mich an, als wäre ich köstliches Schweinefutter), also da gab's etwas mit einer Frau ›von der See‹. In einem ›blauen Kleid‹ und entweder stumm, wortkarg oder nur einer fremden Sprache mächtig. Noch dazu mußte sie ein sündhaftes Leben geführt haben (wie der schmachtende Ausdruck der Schweinsaugen zu verraten schien), seitdem waren die Kinder ›einfältig‹, waren ›Schwachsinnige‹ - wie Gott es in solchen Fällen eben fügt.  Es war sinnlos. Der Magen verweigert zuweilen das kalte, heilsame, kohlensäurehaltige Wasser des >Morgens danach«, und mein absurder, rauschhafter Zustand hatte mich innerlich ausgedörrt, doch nicht völlig ernüchtert zurückgelassen.

Wie immer auch, die Sprecherin berichtete mir, daß meine blaugewandete Frau mit den flachsblonden Haaren gestorben war und daß man sie auf dem benachbarten Friedhof begraben hatte.   - Walter de la Mare, Die Wesen. In: W.d.l.M., Aus derTiefe. Frankfurt am Main 1984

Schweinefutter (2)  Zwei Schweine fielen über die Lumpen eines an der Pest verstorbenen armen Teufels fielen, die auf die Straße geworfen waren. Die Tiere durchwühlten sie nach ihrer Weise tüchtig mit dem Rüssel, packten sie dann mit den Zähnen und schüttelten sie sich um die Backen. Eine knappe Stunde danach fielen beide Tiere, als hätten sie Gift gefressen, nach wenigen Zuckungen auf den zerrissenen Lumpen tot zur Erde nieder.   - Das Dekameron des Giovanni Boccaccio, Berlin und Weimar 1975 (zuerst um 1350)
 

Futter Schwein

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