chweben  Wir umkreisen die Erde, schweben in unserer Raumgondel und sehen, wie die Ozeane und Inseln und grünen Hügel der Kontinente mit fünf Meilen in der Sekunde vorbeiziehen. Lautlos und ohne Mühe bewegen wir uns am Kabinenboden entlang. Ich möchte, während ich dies schreibe, sagen »über dem Boden«, aber bekanntlich verliert sich im Weltraum jedes Gefühl für oben und unten. Das müßte meine Schilderung berücksichtigen.

Ferner steht die atemberaubende Geschwindigkeit des Schiffs in einem seltsamen und verwirrenden Kontrast zum Gefühl des ständigen Schwebens im Raumschiff. Du sitzt nicht vor dem Fenster, um die vorbeiziehende Szenerie zu betrachten, sondern schwebst einfach und schaust nach draußen, aber keineswegs nach unten.

 Fliegst du mit rasender Geschwindigkeit über Meere und Länder dahin oder schwebst du einfach an Ort und Stelle und siehst zu, wie sie an dir vorbeigleiten? - Joseph Allen, nach: Der Heimatplanet, ed. Kevin W. Kelley, Frankfurt am Main 1989,  zuerst 1988

Schweben (2) Der Raumanzug erinnerte mich immer daran, wie es einem vierjährigen Jungen ergeht, wenn Mutter oder Vater ihm eine sehr schwere Wintergarnitur

überziehen. Aber hier wirst du nicht von deiner Mutter warm eingepackt, sondern von deinen Schiffskameraden. Die stecken dich in den Raumanzug, geben dir oft einen Klaps auf den Kopf oder haben zum Abschied einen Butterkeks für dich. Dann setzen sie den Helm obendrauf, lassen die Verschlüsse einrasten; und von da an schwebst du in deinem Anzug. Du stehst nicht auf den Stiefelsohlen da. Ab und zu berühren deine Zehen die Stiefel, aber dein Kopf stößt oben an den Helm. Du schwimmst in diesem Kokon und schwebst zur Luke hinaus, und mit Hilfe der Steuergeräte kannst du dich vom Mutterschiff entfernen. Du umrundest die Erde mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie der Mond. Du bist selbst zum Satelliten geworden. - Joseph Allen, nach: Der Heimatplanet, ed. Kevin W. Kelley, Frankfurt am Main 1989,  zuerst 1988

Schweben (3) Susan Blackmore führt die außerkörperlichen Erlebnisse auf eine mentale Konstruktion des Gehirns zurück. Wenn die äußeren Sinneseindrücke schwach sind (also meistens nachts), kann es nach schweren Unfällen, beim Aufwachen aus der Narkose, unter Drogeneinfluß, bei starker Müdigkeit oder in der Meditation geschehen, daß interne Bilder des Geistes überhand nehmen. «In diesem Zustand ist nicht die äußere, sondern die innere Welt Realität. Alles, was der Betreffende sich deutlich genug vorstellen kann, ist Wirklichkeit», erzählt ihm Blackmore.

Ihrer Meinung nach erzeugt das Gehirn dabei eine eigene Imagination, die ebenso überzeugend wie irreal ist. Fehlende Sinnesdaten ersetzt es durch simulierte, und das Gedächtnis steuert ein visuelles Bild der Umwelt bei, das meist aus der Vogelperspektive erscheint (denn offenbar wird räumliche Erinnerung häufig von oben konstruiert). Da ein ruhig liegender Mensch überdies nur ein geringes Empfinden der Schwerkraft hat, kann es durchaus vorkommen, daß er sich schwebend wähnt. - (kopf)

Schweben (4) Die Sonne, die man unten nicht mehr sah, ist für uns wieder da, als ob sie von neuem aufginge, und unser Ballon erstrahlt in ihrer Flammenhelle; er muß allen, die uns fliegen sehen, wie ein Stern erscheinen. Sekunde um Sekunde wirft Monsieur Mallet ein Blatt Zigarettenpapier in die Luft und sagt gleichmütig: »Wir steigen, wir steigen«, während Kapitän Jovis freudestrahlend sich die Hände reibt und wiederholt: »Na, dieser Lack, was? Dieser Lack!«

Man kann das Steigen und Sinken tatsächlich nicht anders abschätzen, als indem man von Zeit zu Zeit ein Blatt Zigarettenpapier auswirft. Wenn dieses Papier, das in Wirklichkeit in gleichbleibender Höhe schwebt, zu fallen scheint wie ein Stein, dann steigt der Ballon; scheint es dagegen in den Himmel aufzufliegen, sinkt er.

Die beiden Barometer zeigen ungefähr fünfhundert Meter an, und wir blicken voll begeisterter Bewunderung auf diese Erde nieder, die wir verlassen, mit der wir durch nichts mehr verbunden sind und die aussieht wie eine gemalte Landkarte, der unermeßliche Plan einer Provinz. All ihre Geräusche indes erreichen uns deutlich und seltsam klar erkennbar. Vor allem hört man den Lärm der Räder, das Knallen der Peitschen, das »Hü« der Fuhrleute, das Rollen und Pfeifen der Züge und das Lachen der Bengel, die auf den Plätzen laufen und spielen. Jedesmal wenn wir über ein Dorf fliegen, ist es Kinderlärm, der alles übertönt und am hellsten zum Himmel steigt.

Menschen rufen uns zu; Lokomotiven pfeifen; wir antworten mit unserer Sirene, die ein schreckliches, klägliches, dünnes Quäken ausstößt, die Stimme eines Geisterwesens, das um die Erde irrt.

Lichter werden da und dort entzündet, vereinzelte Feuer in den Bauerngehöften, Gaslaternen in den Städten. Wir ziehen nach Nordwesten, nachdem wir lange über dem kleinen See von Enghien geschwebt sind. Ein Fluß taucht auf: es ist die Oise. Nun diskutieren wir, wo wir sind. Die Stadt, die dort unten leuchtet, ist das Creil oder Pontoise? Wenn wir über Pontoise wären, müßte man wohl den Zusammenfluß von Seine und Oise sehen; und dann dies Feuer, dieses riesige Feuer zur Linken, ist das nicht der Hochofen von Montataire?

Wir befinden uns in Wirklichkeit über Creil. Das Schauspiel ist berückend; auf der Erde ist es Nacht, aber wir sind noch im Licht, und es ist zehn Uhr vorüber. Jetzt hören wir gedämpfte ländliche Geräusche, den doppelten Wachtelschlag vor allem, dann das Miauen der Katzen und das Jaulen der Hunde. Gewiß, die Hunde wittern den Ballon, sehen ihn und geben Alarm. Man hört sie über die ganze Ebene hin gegen uns anbellen, wie sie den Mond ankläffen. Auch die Rinder in den Ställen scheinen erwacht, denn sie brüllen; all die erschreckten Tiere geraten in Erregung vor dem Ungetüm in der Luft.

Und die Erdgerüche steigen zu uns empor, köstliche Düfte von Heu, von Blumen, von der grünen feuchten Erde erfüllen die Luft, eine leichte Luft, so leicht, so lind, so würzig, wie ich sie nie in meinem Leben mit solchem Glück geatmet habe. Ein tiefes, unbekanntes Wohlgefühl erfüllt mich, ein Wohlgefühl des Leibes und des Geistes, darin Gelassenheit, unendliche Ruhe, Vergessen und Gleichmut gegen alles sich vereinen mit diesem ganz neuen Erlebnis, den Raum zu durcheilen, ohne etwas zu spüren, was die Bewegung unerträglich macht, ohne Lärm und ohne Erschütterungen.  - (nov)

Schweben (5)

DIE GALGENBALLADE, DIE VILLON SEINEN FREUNDEN ZUM ABSCHIED GEDICHTET HAT

Ach, Brüder, laßt uns hier nur ruhig schweben
am langen Strick. Wir haben von diesem Hundeleben
den Hals bis oben längst schon voll gehabt.
Wir haben nie, wie ihr, in einem weißen Bett gelegen,
wir lagen Nacht für Nacht im schwarzen Regen,
vom Wind zerfressen und vom Wurm zerschabt.
Wenn erst im Wald die Eule dreimal schreit,
ist auch der Teufel nicht mehr weit.

Da strecken wir so durstig schon die großen Zungen
und von dem milden Mondlicht eingesungen,
schwimmt eine weiße Wolke um den Wald.
So viele Sommerjahre haben wir den Magen
mit Erde nur und Laub uns vollgeschlagen,
da wurde auch die Liebe kalt und alt.
Wenn erst im Wald die Eule dreimal schreit,
ist auch der Teufel nicht mehr weit.

Aus unseren abgewürgten Hälsen manchmal pfeifen
die bösen Träume noch und wollen nicht begreifen,
daß auch die runde Welt ein Ende hat.
Es grünen Disteln schon und Nesseln in den Eingeweiden,
die mögen wohl den Wurm gut leiden,
weil er so weiß ist und so glatt.
Wenn erst im Wald die Eule dreimal schreit,
ist auch der Teufel nicht mehr weit.

Weshalb soll uns am Ende gar der Teufel holen?
Wir haben keinem Armen was vom Geld gestohlen,
und auch dem König macht es keinen Spaß,
der bleibt viel lieber bei den Schnäpsen und Lampreten,
läßt in den Kirchen für sein Wohlergehen beten
und legt sich zu dem weißen Reh im Abendgras.
Wenn erst im Wald die Eule dreimal schreit,
ist auch der Teufel nicht mehr weit.

Nun wir mit unserm Fett schon in der Sonne braten,
ihr Brüder, denkt an unsre eigenen Missetaten,
die wird man nicht so leicht mit Bibelsprüchen los.
Es fällt sehr bald ein Schnee auf eure Haare,
dann liegt ihr auch auf einer schwarzen Bahre
so klein und häßlich wie im Mutterschoß.
Wenn erst im Wald die Eule dreimal schreit,
ist auch der Teufel nicht mehr weit.

Notwendige Nachschrift:

Und als um die Mitternacht kam angeritten,
der schwarze Teufel aus dem Höllenreich,
da hat man grad die Schelme abgeschnitten
und warf sie schnell den Fischen hin im Teich.

 - Aus: Die lasterhaften Balladen des François Villon. Nachdichtung von Paul Zech. München 1962 (dtv 43, zuerst ca. 1460)

Schweben (6)  Stellt euch vor: der Großkhan sitzt im Hauptsaal an seinem Tisch, welcher auf einem acht Ellen hohen Podest steht. Die Trinkgefäße befinden sich auf dem Boden des Saales, etwa zehn Schritte vom Tisch entfernt; sie sind gefüllt mit Wein, Milch oder sonstigen guten Getränken. Die Zauberer, Bacsi geheißen, bewirken mit ihrem Hexeneinmaleins, daß sich die vollen Gefäße vom Fußboden abheben und ohne jemanden zu berühren zum Khan hinschweben. Solches geschieht vor den Augen von zehntausend Menschen. Es ist die reine Wahrheit, nicht eine Spur von Erfindung. Jeder, der etwas von der Schwarzen Kunst versteht, muß zugeben, daß derartiges möglich ist. - (polo)

Schweben (7) Ich hab immer das Gefühl, als wenn ‹ich› mich etwa in Kopfhöhe hinter ‹mir› befände. Also ‹ich› und ‹moi›. (Wobei der Dicke unten natürlich ‹moi› sein muß ! - Arno Schmidt, Das steinerne Herz. Historischer Roman aus dem Jahre 1954 nach Christi. Zürich 1986 (Studienausgabe, zuerst 1956)

Schweben (8) Sie lächelte über sich, schaute sich um und sah in die Ferne, bemerkte im Tal dieses frische Grün der Wiesen des Rosensteinparkes und über den rötlichen Steinschichten, die von den Häusern auf dem Talgrund und drüben nach den violetten Hügeln zu wie Steinhaufen zu sehen waren; das waren die Dörfer, die Siedlungen an den Rändern. Und es war, als zöge sie's hinaus, hinüber zu den Hügeln, wo die Luft zu schillern schien. Es kam ihr vor, als schwebte sie und wäre außerhalb ihres Leibes.

Abends erzählte sie Eugen davon und war enttäuscht, als er bemerkte: »Du, das ist sehr merkwürdig ... Weißt du, den Zustand hab ich als Bub hervorrufen können, wann ich's wollte. Ich habe dabei nur allein sein müssen. Es war am stärksten, wenn mir alle anderen Menschen fremd und feindlich vorgekommen sind. Dann hab ich mich gefühlt, als ginge ich neben mir. Und wenn ich mich angefaßt habe, bin ich zusammengezuckt... Mit dem Älterwerden ist es seltener gekommen.«

Sie nickte. Wieder mußte sie mühsam die Tränen zurückdrängen. Und es ärgerte sie, daß Eugen wieder einmal gesagt hatte, etwas, was ihr neu war, kenne er längst. Wenn er nicht so freundlich geantwortet hätte, wäre sie nahe daran gewesen, etwas zu sagen, was ihn ärgerte. Es fiel ihr allerdings nichts ein.  - Hermann Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am Main 1988 (st 1491, zuerst 1983)

Schweben (9) Kinkel war also ironisch überlegen, was zu diesem veränderten Gefühl im Kriege paßte, das wohl nur Nachlassen der Anspannung verriet. Und Eugen dachte, wenn der treu zu seinem sogenannten Führer stehe, dann heiße er Gustav. Und Kinkel verabschiedete sich mit einem: »Wünsche angenehme Sumpfgelegenheiten, Exzellenz«. Dazu die Schlucke feinen französischen Cognacs, die ihn Kinkel aus seinem Aluminiumfeldbecher hatte trinken lassen: All dies machte die Stimmung leichter, obwohl man doch in Rußland war; als sei Herr Kinkel gar nicht richtig da, oder er habe etwas, auf das er sich sogar hier in Rußland verlassen konnte und das ihn stärkte. Denn dieser Kinkel tat, als sei's ihm möglich, schwebend durch die Zeit zu kommen.  - Hermann Lenz, Neue Zeit. Frankfurt am Main 1979 (st 505, zuerst 1975)

Schweben (10)  Als er sich ihnen näherte, erkannte er, daß die verschiedenen Gebäude große Ähnlichkeit mit Grüften und Mausoleen und Grabdenkmälern hatten, nur waren sie alle einheitlich schwarz, im Gegensatz zum Weiß der meisten irdischen Grabstätten. Und dann sah er aus dem größten Gebäude eine Anzahl bleicher, runder, blaßgrüner Gestalten ausschwärmen, so wie Menschen aus einer Kirche strömen. Sie gingen in verschiedenen Richtungen auf der breiten Straße des Ortes davon. Manche verschwanden auf Seitenwegen und tauchten auf den steilen Hängen des Hügels wieder auf, andere betraten die kleinen schwarzen Gebäude, die den Weg säumten.

Beim Anblick dieser rundlichen Dinger, die da auf ihn zutrieben, blieb Plattner stehen und starrte sie an. Sie gingen nicht, sie besaßen wirklich keine Gliedmaßen. Und sie hatten das Aussehen menschlicher Köpfe, unter denen kaulquappenähnliche Körper baumelten. Er war zu erstaunt über ihre Absonderlichkeit, zu erfüllt davon, um wirkliche Angst vor ihnen zu empfinden. Sie trieben auf ihn zu, vor dem kühlen Wind her, der bergan blies, so wie Seifenblasen im Lufthauch dahintreiben. Als er das nächste der auf ihn zukommenden Wesen ansah, erkannte er, daß es wirklich ein menschlicher Kopf war, obgleich mit übergroßen Augen, der einen solchen Ausdruck von Kummer und Qual zeigte, wie er ihn nie zuvor in einem menschlichen Antlitz gesehen hatte. Es erstaunte ihn, als er bemerkte, daß es sich nicht ihm zuwandte, um ihn anzublicken, sondern irgendeinem nicht sichtbaren, sich bewegenden Gegenstand zu folgen und diesen zu beobachten schien. Einen Augenblick lang war er verwirrt, dann kam ihm der Gedanke, daß dieses Wesen mit seinen riesigen Augen vielleicht etwas beobachtete, das in jener Welt geschah, die er soeben verlassen hatte. Es kam näher und näher, und Plattner war zu erstaunt, um aufzuschreien. Es gab, als es dicht an ihn herankam, ganz schwache, kummervolle Laute von sich. Dann berührte es sein Gesicht mit einem sanften Schlag — die Berührung fühlte sich sehr kalt an.  - Herbert George Wells, Plattners Geschichte. In: H.G.W., Die Tür in der Mauer. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 29, Hg. Jorge Luis Borges

Schweben (11)  Vor dem Ersten Weltkrieg pflegte Raymond Roussel seine Kragen nur einmal zu tragen (denn er verabscheute Gewaschenes), seine Hemden nur ein paarmal, einen Anzug, einen Mantel, einen Hut oder Hosenträger nur fünfzehnmal, einen Schlips nur dreimal; wenn er sich völlig neu einkleidete, sagte er: »Ich schwebe... Heute ist alles neu.«  - Michel Leiris, Konzeption und Realität bei Raymond Roussel. In: R.R. Eine Dokumentation. Hg. Hanns Grössel. München 1977

Schweben (12)  Als ich diese Sensation zum ersten mal an mir selber erlebte, war ich fast bis zur Sinnlosigkeit von Wein berauscht Ich war! mich auf das eigens zu diesem Zweck bestimmte Gestell, indem ich alle Nonnen herausforderte, bei diesem Liebeskampf es mit mir aufzunehmen. Im Nu stand der Esel hochaufgerichtet vor mir. Sein furchtbares Glied, von den Händen der frommen Schwestern in Glut versetzt, schlug gewichtig gegen meine Schenkel an. Ich ergriff es mit beiden Händen, setzte es an die Öffnung meiner Scheide an und versuchte es einzuführen, nachdem ich mich ein paar Sekunden lang von ihm hatte kitzeln lassen. Mit Hilfe einer Pomade, durch geschickte Stöße meiner Hinterbacken und durch Nachschieben mit den Händen gelang mir dies, und bald hatte ich mindestens fünf Zoll in meinem Leibe. Ich wollte noch weiter stoßen, aber die Kräfte gingen mir aus und ich sank erschöpft zurück. Mir war's, als zerrisse meine Haut, als würde ich gespalten, gevierteilt! Ich empfand einen dumpfen, betäubenden Schmerz, zugleich aber auch einen heißen, kitzelnden, wonnigen Reiz. Das Tier bewegte sich fortwährend und stieß so kräftig, daß ich die Erschütterung in meinem ganzen Rückgrat verspürte. Ich spritzte. O, welch ein Genuß! Mein heißer Liebessaft erfüllte mir den ganzen Leib. Ich war von Liebe ganz und gar überströmt. Da stieß ich einen langen, lauten Schrei aus – ich war erleichtert. Durch meine wollüstigen Zuckungen hatte ich noch zwei Zoll in mich aufgenommen. Dies war das höchste Maß, das jemals erreicht worden war; alle meine Gefährtinnen waren besiegt. Das Glied des Esels war bis an den Ring eingedrungen, den man ihm angelegt hatte. Ohne diesen Ring wäre mir der Leib zersprengt worden.

Ich war erschöpft, alle meine Glieder schmerzten und ich glaubte am Ende aller Wollust zu sein – da wird plötzlich das unbändige Glied des Tieres roch steifer und härter denn zuvor; es dringt noch tiefer in mich ein und ich schwebe fast frei in der Luft, nur von dem Schwanz des Esels gehalten! - Alfred de Musset, Gamiani

Schweben (13)  An ihren Sitz gefesselt zieht sie die Möbelstücke um sich herum an, sie lässt sie in die Luft steigen und sie in wellenförmigen Bewegungen wieder nach unten sinken, als ob sie ihrem Willen gehorchten. Sie klopft oder pocht dabei in einem bestimmten Rhythmus an die Wände, die Decke und auf den Fußboden. Diese Frau erhebt sich auch selbst in die Luft - ganz gleich, wie sie festgebunden ist. Wider alle Schwerkraft schwebt sie ruhig in der Luft. Sie spielt Musikinstrumente, ohne sie zu berühren, als wären sie vom Atem unsichtbarer Geister in Klang gesetzt worden. Wie viele Beine und Arme hat sie? Wir wissen es nicht. Während ihre Gliedmaßen von skeptischen Zuschauern festgehalten werden, sehen wir, wie andere Glieder erscheinen, ohne dass man weiß, woher sie kommen und wem sie gehorchen. - Dr. Ercole Chiaia, Psychologe, nach (hoe)

Schweben (14)  Dschuang Dsï lächelte und sprach: »Ich möchte in der Mitte zwischen Tauglichkeit und Untauglichkeit stehen. Wer nur scheinbar das erreicht hat, in Wirklichkeit aber noch nicht, der ist nicht sicher, Verwicklungen zu entgehen. Anders der, der Sinn und Leben versteht, der bleibt frei von Lob und Tadel. Er ist bald Drache, bald Schlange, er wandelt sich mit der Zeit und ist allem einseitigen Tun abgeneigt; bald oben, bald unten: wie es das innere Gleichgewicht erfordert. So schwebt er empor zum Urahn der Welt. Er behandelt die Welt als Welt, aber läßt sich nicht von der Welt behandeln. Wie sollte es möglich seinjj ihn in Verwicklungen hineinzuzerren?«  - (lueb)

Schweben (15)  Der kritische Punkt bei einer Entziehungskur ist nicht die erste Phase der akuten Entzugserscheinungen sondern der letzte Schritt, die endgültige Trennung von Junk... Es ist ein alptraumhafter Schwebezustand, die Zellen geraten in Panik, man hängt zwischen zwei völlig gegensätzlichen Lebensweisen... Das Verlangen nach Junk steigert sich noch einmal zu einer solchen Intensität, daß es den Anschein hat, als könne man sich den Stoff geradezu herbeizaubern: ... plötzlich trifft man einen alten Schmecker, lernt einen Krankenwärter kennen, der das Zeug stiehlt, oder einen Weißkittel, der Rezepte ausstellt...   - (lun)

Schweben (16) 1935 hatte ich als leitender Technischer Offizier einer Luftwaffeneinheit eine Aufgabe von außerordentlicher Bedeutung zu erfüllen, die mich ständig zwischen Werkstatt, Flugplatz und Dienstzimmer in Bewegung hielt. Die Arbeit begann am Montag früh um 6 Uhr und endete am Mittwoch gegen 11 Uhr. In den mehr als 50 Stunden habe ich zunächst, einfach aus Zeitmangel, keine Nahrung zu mir genommen, sondern nur Kaffee. Am ersten Abend hatte ich einen Anfall von Hunger zu überwinden, den ich aus Zeitmangel nicht befriedigen konnte. Danach ist aller Hunger erloschen. Sehr groß war die Müdigkeit, weil ich praktisch immer auf den Beinen war und selbst die Büroarbeit stehend durch Diktat erledigen konnte. Am Mittwochvormittag fühlte ich, daß das Bewußtsein schwand und daß einer meiner Mitarbeiter mich auffing. Das Nächste, was ich weiß, ist, daß ich mich dicht unter der Decke meines Dienstzimmers hoch über meinem Körper schwebend empfand, mit dem Gefühl völliger Körperstarre, auch ohne die Fähigkeit zu sprechen oder meine Augen zu bewegen. Ich hörte tief unten Stimmen, darunter den Stabsarzt, der dem Sinn nach etwa sagte: ›Wir müssen ihn nicht aufwecken, sondern zum Schlafen bringen, sonst überlebt er das nicht‹. - Max Himmelheber, nach: Ernst Jünger, Siebzig verweht V. Stuttgart 1997, Notat vom 21.  August 19991

Schweben (17)

Schweben (18)  Manche sollen nur eine Art Schwebezustand erreichen; das heißt, wenn sie sich ins Bett legen, werden sie nach einiger Zeit in die Höhe gehoben. Einige Zentimeter, wie mir einer sagte. Und dort bleiben sie liegen wie auf einer Matratze aus Luft mitten in einem riesigen Getümmel von Träumen rundum.

Aber das sind außerdem Leute, die noch nie weggegangen sind, noch nie ihr Land verlassen haben; sie sind aber immer kurz davor; doch im Grund bleiben sie immer im Bett. Das sind keine Reisenden. Es sind zu neunzig Prozent Träumer.   - (mond) 

Schweben (19)  

Schweben (20)  Im Traum die Vorstellung haben, man schwebe nur wenig von der Erde entfernt und in aufrechter Haltung, bedeutet dem Träumenden Glück; denn um wieviel einer über dem Boden schwebt, um so erhabener ist er gegenüber denen, die sich unter ihm bewegen. Stets nennt man ja die Reichen die Höhergestellten. Von guter Vorbedeutung ist es, wenn einem dies nicht im eigenen Vaterland widerfährt; denn weil man nicht auf festem Boden steht, bedeutet es Auswanderung; das Traumgesicht sagt gewissermassen, das Vaterland sei für den Träumenden unbetretbar.  - (art)

Gravitation Bewegung
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