Schwanzprotz  Er ist der Weiße Schwanzprotz der terres mauvaises, dieser Crouchfield, er treibt's mit beiden Geschlechtern und sämtlichen Tieren außer Klapperschlangen (außer der Klapperschlange, genaugenommen, denn es gibt ja nur eine), obwohl es seit kurzem so aussieht, als würde er seine lüsternen Phantasien auch auf diese Klapperschlange auszudehnen beginnen! Giftzähne, die gerade nur zart an der Vorhaut kitzeln ... der bleiche Schlund, weit aufgerissen, und diese schreckliche Lust in den kalten, sichelförmigen Augen ... Sein derzeitiger Spielgefährte ist Whappo, ein norwegischer Mulattenknabe mit einer Vorliebe für reiterliche Paraphernalien. Er steht darauf, mit der Reitpeitsche rangenommen zu werden, im Schweiß- und Lederdunst der Sattelkammern ihrer Reise, die schon drei Wochen dauert, beachtliche Zeit, die meisten kleinen Kumpel halten nicht so lange vor. Whappo trägt Chaparajos aus importiertem Gazellenleder, die Crutchfield in Eagle Pass bei einem laudanumsüchtigen Pharospieler für ihn gekauft hat, der gerade zum letztenmal über den großen Rio in den menschenleeren Glutofen des wilden Mexico ging. Auf Whappos Schultern prangt eine Bandanna in Magenta und Grün (angeblich hat Crutchfield daheim auf «Rancho Peligroso» einen ganzen Schrank voll solcher Seidenschals, und er geht niemals auf den Trail, ohne nicht ein, zwei Dutzend davon in die Satteltaschen zu stopfen. Was bedeuten muß, daß die Eins-von-jedem-Regel nur für Lebewesen, wie etwa kleine Kumpel, gilt, nicht aber für tote Gegenstände wie Bandannas). Oben auf Whappos Kopf aber schießt ein glänzender Chapeau claque aus Japanseide den Vogel ab. Ja, der kleine Whappo macht schon schwer auf Dandy, wie er an diesem Nachmittag so aus der Scheune schlendert.

«Hach, Crutchfield», er winkt mit dem Händchen, «wie nett, daß du vorbeischaust.»

«Du hast genau gewußt, daß ich komme, du kleiner Schuft.» Scheiße, dieser Whappo ist wirklich 'ne Nummer. Ständig lauen er seinem Meister auf in der Hoffnung, ein paar sausende Lederhiebe über seine dunklen afro-skandinavischen Arschbacken gezogen zu kriegen, welche die kallipygische Rundung, die man von den Rassen des schwarzen Erdteils kennt, mit der gestrafften, adeligen Muskulatur des kernigen Olaf verbinden, unseres blonden Vetters im Norden. Doch diesmal wendet sich Crutchfield ab, um in die fernen Berge zu spähen. Whappo schmollt. In seinem Zylinderhut spiegelt sich der bevorstehende Holokaust. «Toro Rojo wird heute nacht reiten»: der weiße Mann kann es sich wirklich sparen, so etwas laut zu sagen, wie recht er auch haben mag. Das wissen sie nämlich längst, die beiden Kumpel. Der Wind, der diesen scharfen Indianergeruch herunterträgt, sollte jedem genügen. Sie werden es also ausschießen untereinander, o Gott, und höllisch blutig. Der Wind wird so steif blasen, daß das Blut an den Nordseiten der Bäume gelieren wird. Die Rothaut wird einen Hund bei sich haben, den einzigen Indianerhund in dieser ganzen Aschenwüste - der Köter wird sich mit dem kleinen Whappo anlegen und an einem Fleischerhaken in der offenen Metzgerbude auf der dreckigen Plaza von Los Madres enden, die Augen weit aufgerissen, das räudige Fell unversehrt, während seine schwarzen Flöhe auf der anderen Seite des Platzes gegen das sonnenhelle Mörtel- und Mauerwerk der Kirchenfassade springen und das Blut an der Bißwunde im Nacken dunkel verkrustet, wo Whappos Zähne seine Halsschlagader durchtrennt haben (und vielleicht auch ein paar Sehnen, denn der Kopf baumelt schräg herab). Der Fleischerhaken dringt zwischen zwei Wirbeln im Rücken ein. Mexikanische Ladies schubsen den Kadaver hin und her, und er schwingt widerwillig durch die vormittäglichen Marktgerüche. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981

 

Schwanz Protz

 

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