chwan Aristoteles
berichtet, der Schwan habe schöne und zahlreiche Junge, doch sei er auch ein
streitbares Tier. So geraten die Schwäne oft in Wut, bekämpfen sich gegenseitig
und töten sich.
Aristoteles behauptet auch, daß die Schwäne mit den Adlern kämpfen,
doch verteidigten sie sich nur und griffen nicht selbst an. Daß sie den Gesang
lieben, darüber ist zwar auch schon viel geredet worden, doch ich habe noch
nie einen Schwan singen hören — wahrscheinlich auch sonst niemand. Aber man glaubt
daran, daß er singt. Ferner erzählt man, gerade wenn das Ende seines Lebens
nahe, habe seine Stimme den lieblichsten Klang und er singe am schönsten. -
(
ael
)
Schwan (2)
ALS ihn der Gott in seiner Not betrat, |
- Rainer Maria Rilke
Schwan (3) Einmal glitten die beiden Schwimmer unter einem Schwan daher. Der weiße Vogel trieb über ihnen dahin wie ein Zeppelin. Was von ihm aus dem Wasser ragte, war nur undeutlich zu erkennen, die unter Wasser befindliche Partie indessen zeigte eindeutig, daß er in leichter Seitenlage schwamm und ein Bein auf den Rücken gelegt hatte.
»Seht doch«, sagte Wart. »Das ist der arme Schwan mit dem deformierten Bein. Der kann nur mit einem Bein paddeln, und die andere Seite ist verkrüppelt.«
»Unsinn«, sagte der Schwan bissig, indem er seinen Kopf ins Wasser tauchte
und ihnen seine schwarzen Nasenlöcher mißbilligend
entgegenreckte. »Schwäne ruhen gern in dieser Stellung, und dein fischiges Mitleid
kannst du ruhig für dich behalten, nun weißt du's.« Er stierte sie weiter von
oben herab an wie eine Schlange, die plötzlich durchs
Dach baumelt, bis sie außer Sicht waren. - T.H.
White, Der König auf Camelot. Stuttgart 1978 (zuerst 1976)
Schwan (4)
»Weiß wie ein Schwan«; wohlgemerkt, es gibt auch schwarze. - Singt, bevor
er stirbt. - Kann mit seinem Flügel den Oberschenkel eines Mannes brechen. —
Der Schwan von Cambrai war nicht ein Vogel, sondern ein Mann (Bischof)
namens Fénelon. — Der Schwan von Mantua ist Vergil. — Der Schwan von Pesaro
ist Rossini. — Der Schwan vom Avon ist Shakespeare.
— Der Schwan von Weimar ist Goethe. - (
fla
)
Schwan (5)
- Rubens
Schwan (6)
Als ich heute unterwegs zur Stadt im Wald die Wurm entlangfuhr, sah ich in einem
stehenden Wasser einen Schwan, das berührte mich. Es ist mir klar, warum ich
die Schwäne am See unten nicht mag, weil ich sie von den Leuten auf der Promenade
nicht isolieren kann. Diese Leute sind fähig, sich mit einem Motor zu vergleichen,
in einem Pop-Rhythmus gehen sie auf. Sie tragen Kleider wie ihre Haut. Sie leben
in diesem Staat, als hätte der mit uns was zu tun, als erweise er sich nicht
als unser Feind in Gestalt der Parteien, der Bundeswehr oder der Architektur;
allein für wen sind die Gänge in den Gerichten und Krankenhausern? Man kann
doch da gar nicht mehr zusehen. - (
acht
)
Schwan (7) Bei einem Rundgang sah er an einem der äußersten Enden des Sees, im Schatten eines Ginstergebüsches, ein meerfarbenes Boot, das auf dem stehenden Wasser lag. Dieses Boot hatte die Form eines schlafenden Schwanes, der den Kopf unter den Flügeln verbarg. Huarn, der nie dergleichen gesehen hatte, trat neugierig näher und stieg in das Boot, um es besser betrachten zu können. Kaum aber hatte er den Fuß hineingesetzt, als der Schwan erwachte: sein Kopf erhob sich aus den Federn, seine breiten Füße streckten sich im Wasser aus, und plötzlich entfernte er sich vom Ufer.
Der Jüngling stieß einen Schrei des Entsetzens aus, aber der Schwan schwamm nur noch schneller der Mitte des Weihers entgegen. Huarn wollte sich ins Wasser werfen, um schwimmend das Ufer zu erreichen; da steckte der Vogel seinen Schnabel ins Wasser und tauchte, indem er Huarn mit hinabriß.
Huarn konnte nicht schreien, ohne das stinkige Secwasser zu schlucken; so
mußte er schweigen und gelangte in die Wohnung der Wasserhexe. -
Bretonische Märchen. Hg. und Übs. Ré Soupault. Reinbek bei Hamburg 1997 (Diederichs
Märchen der Weltliteratur)
Schwan (8) Von Brehms Thierleben war Z. nicht abzubringen. »Ganz gleich, was die Wissenschaft gegen ihn einwenden mag —«, sagte er, »mir kommen die Schwäne genauso vor, wie er sie schildert. Sie seien klug und verständig, legten aber selten ihre eigentümliche Scheu und Zurückhaltung ab; in ihrem Wesen sprächen sich Selbstbewußtsein und Gefühl der eigenen Würde aus, aber auch eine gewisse Herrschsucht.«
Neben ihrem Hochmut fielen dem
alten Brehm ihr tadelnswerter Neid und eine gewisse
Heimtücke auf. Das sei ebenso naiv wie zutreffend.
Nur dadurch, daß wir einsähen, wie ähnlich wir
den Tieren sind, könnten wir überhaupt mit ihnen umgehen. Was man diesem liebenswürdigen
Mann des neunzehnten Jahrhunderts vorwerfe, sein
Anthropomorphismus, sei bloß ein Fremdwort. - Hans Magnus Enzensberger, Herrn Zetts Betrachtungen
oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern. Berlin 2014
Schwan (7)
LE CYGNE A Victor Hugo Andromaque, je pense à vous l — Ce petit fleuve, |
DER SCHWAN Für Victor Hugo Deiner gedenke ich, Andromache! — Der kleine Fluß, in dessen seichtem und trübem Spiegel dir einst die gewaltige Hoheit deines Witwen-Grames widerschien, jener erlogene Simoïs, der von deinen Tränen schwoll, |
A fécondé soudain ma mémoire fertile, |
Hat unversehens mein Gedächtnis zur Fruchtbarkeit erregt, als mein Weg mich über das neue Carousel führte. — Das alte Paris ist nicht mehr (die Gestalt einer Stadt wechselt rascher, ach! als das Herz eines Sterblichen); |
Je ne vois qu'en esprit tout ce camp de baraques, |
Nur im Geiste seh ich noch dieses ganze Barackenlager vor mir, diese Haufen grobbehauener Kapitelle und Saulenschäfte, das Unkraut und die großen Blöcke, die vom Wasser der Pfützen grüne Flecken hatten, und, hinter Scheiben blitzend, des Werkzeugs wüster Stapel. Dort erstreckte sich vormals eine Menagerie; dort sah ich eines Morgens, zur Stunde, da unter hellen Frosthimmeln die Arbeit anhebt, da die Straßenkehrer die stille Luft mit Wirbelstürmen schwärzen, |
Là s'etalait jadis une ménagerie ; |
|
Un cygne qui s'était évadé de sa cage, |
Einen Schwan, der aus seinem Käfig entwichen war und, mit dem Schwimmfuß das trockene Pflaster scharrend, über den holprigen Boden sein mächtiges Gefieder schleifte. An einem wasserlosen Rinnstein riß das Tier den Schnabel auf Und badete mit fahriger Gebärde die Fittiche im Staub, und sprach, im Herzen seines schönen Heimatsees gedenkend: »Wasser, wann endlich wirst du niederregnen? wann wirst du donnern, Wetterstrahl?« Ich sehe, wie der Arme, ein unheilvolles Zeichen wunderlicher Sage, Zum Himmel manchmal, gleich dem Menschen bei Ovid, zum schadenfrohen, grausam blauen Himmel auf zuckendem Halse sein durstgequältes Haupt reckt, als schleudre er Vorwürfe gegen Gott! |
Baignait nerveusement ses ailes dans la poudre, |
|
Vers le ciel quelquefois, comme l'homme d'Ovide, |
|
II |
II |
Paris change, mais rien dans ma mélancolie |
Paris verändert sich! nichts aber hat in meiner Schwermut sich bewegt! neue Paläste, Gerüste, Steinblöcke, alte Vorstädte, alles wird mir zur Allegorie, und meine liebsten Erinnerungen lasten schwerer als Felsen. |
Aussi devant ce Louvre une Image m'opprime : |
So auch bedrückt vor diesem Louvre mich ein Bild: ich denke an meinen großen Schwan, mit seinen närrischen Gebärden, lächerlich wie die Verbannten und wie sie erhaben, und zerfressen von unaufhörlichem Verlangen! und dann an dich, Andromache, aus den Armen eines großen Gatten Herabgesunkene, ein Stück Vieh nur in der Gewalt des stolzen Pyrrhus, schmerzverzückt vor einem leeren Grabe hingebeugt; Witwe des Hektor, ach! und Weib des Helenus! |
Andromaque, des bras d'un grand époux tombe, |
|
Je pense à la négresse, amaigrie et phthisique, |
Ich denke an die Negerin, die von der Schwindsucht abgemagert durch den Straßenschmutz sich schleppt und hinter ungeheurer Nebelmauer nach den fernen Kokospalmen des stolzen Afrikas verstörten Auges späht; |
A quiconque a perdu ce qui ne se retrouve |
An jeden, der verlor, was nimmer! nimmer! sich wiederfindet! an jene, die sich mit Tränen tränken und an dem Schmerz wie an den Zitzen einer guten Wölfin saugen! an die magren Waisen, die wie Blüten welken! |
Ainsi dans la forêt où mon ésprit s'exile |
So in dem Walde, wo mein Geist vereinsamt haust, läßt eine alte Erinnerung mit vollem Klang ihr Horn erschallen! Ich denke an die Matrosen, die man auf einer Insel vergessen hat, an die Gefangenen, an die Besiegten!... und an sehr viele andre noch! |
- Charles Baudelaire,
Die Blumen des Bösen (zuerst 1857), Übs. Friedhelm
Kemp. Frankfurt 1966
Schwan (8)
Schon
färbte sich rot des Sigeum So des Aeacus Sproß. Seinen Worten folgte der wuchtge „Sohn einer Göttin—ich kenne dich schon vom Erzählen—" so
sprach da Cygnus, Von sich stieß ihn der Held und warf aufs neue mit starker Doch er erwägt, ob vielleicht der Lanze die Spitze entfallen.
Spricht es und wirft, als ob er dem, was zuvor er getan, nicht
Sprach es, und wieder warf er auf Cygnus und fehlte ihn nicht,
und Da erträgt er's nicht mehr, dem Entblößten hämmert er dreimal,
|
Schwan (9)
Der Schwan wird in Deutschland, der Heimat Lohengrins, gejagt. Er dient auch
als Fabrikmarke für steife Kragen in den Bedürfnisanstalten. Auf den Seen verwechselt
man ihn mit den Blumen und schwärmt dann von seiner Gestalt, die wie ein Nachen
aussieht; übrigens tötet man ihn mitleidslos, um ihn zum Singen zu bringen.
Die Malerei würde den Schwan sehr gerne verwenden, aber wir haben keine Malerei
mehr. Wenn er vor dem Sterben noch Zeit findet, sich in eine Frau zu verwandeln,
ist sein Fleisch weniger zäh als im gegenteiligen Fall: er wird dann von den
Jägern höher geschätzt. Unter dem Namen Eidergans liefert der Schwan die Eiderdaunen
für Federbetten. Und das steht ihm sehr gut. Der Name Schwan wird auch hervorragenden
Männern mit langen Hälsen beigelegt; so heißt
Fenelon der Schwan von Cambrai. Usw... - Max Jacob, Der Würfelbecher.
Frankfurt am Main 1968 (zuerst 1917/23)
Schwan (10)
Kein Schwan so schön »Kein Wasser so still wie Versailles Gelagert auf dem Kandelaber-Baum |
- Marianne Moore, nach
(mus)
![]() ![]() |
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
![]() ![]() ![]() |
||
![]() ![]() |
![]() ![]() |