chwaden Emil, mein ältester Cousin, mit seinem hellblonden Schnurrbart und einem Gesicht, aus dem das Leben beinahe jeglichen Ausdruck gespült hatte, spazierte, die Hände in den Taschen seiner faltigen Hose, im Zimmer auf und ab.
Seine elegante, kostspielige Kleidung war von den exotischen Ländern geprägt, in denen er gewesen war. Sein welkes, trübes Gesicht schien sich von einem Tag auf den anderen zu vergessen, es wurde zu einer weißen, leeren Wand mit einem Netz blasser Adern, in dem sich die erlösehenden Erinnerungen an dieses ungestüme, vergeudete Leben wie die Linien auf einer unscharfen Landkarte verwirrten. Er war ein Meister der Kartenkünste, rauchte lange, edle Pfeifen und roch sonderbar nach fernen Ländern. Während er den Blick über die Andenken von einst schweifen ließ, erzählte er höchst seltsame Anekdoten, die an einem bestimmten Punkt plötzlich abbrachen, sich abkoppelten und im Nichts verwehten. Ich wandte meinen sehnsüchtigen Blick nicht von ihm ab, begierig darauf, daß er mich bemerkte und von den Qualen der Langeweile befreite. Und in der Tat, mir war, als zwinkerte er mir beim Hinausgehen ins andere Zimmer zu. Ich ging ihm nach. Er saß tief auf einer kleinen Couch, die Knie seiner übereinandergeschlagenen Beine fast in Höhe des Kopfes, der kahl wie eine Billardkugel war. Es sah so aus, als läge nur seine Kleidung da, faltig und zerknüllt, über einen Sessel geworfen. Sein Gesicht war wie der Hauch von einem Gesicht — ein Schwaden, den ein unbekannter Passant in der Luft hinterlassen hatte. In seinen blassen, blau emaillierten Händen hielt er eine Brieftasche, in der er etwas betrachtete.
Aus dem Nebel des Gesichts kam mühsam das gewölbte Weiß des bleichen Auges
zum Vorschein und lockte mich mit schelmischem Zwinkern. Ich empfand unwiderstehliche
Sympathie für ihn. Er nahm mich zwischen die Knie, mischte vor meinen Augen
geschickt eine Handvoll Photographien und zeigte mir die Abbildungen von nackten
Frauen und jungen Männern in seltsamen Posen. Ich stand mit der Seite an ihn
gelehnt und blickte mit fernen, nicht sehenden Augen auf die zarten Menschenkörper,
als das Fluidum eines unbestimmten Aufruhrs, der die Luft plötzlich getrübt
hatte, zu mir vordrang und mich mit einem Schauer der Verstörung, einer Welle
plötzlichen Verstehens überlief. Doch inzwischen waren das vernebelte Lächeln,
das sich unter seinem weichen, hübschen Schnurrbart abzeichnete, der Anflug
des Begehrens, der sich als pulsierende Ader über seinen Schläfen spannte, und
die Anstrengung, die seine Züge einen Augenblick konzentriert verharren ließ,
zurück ins Nichts gefallen, und das Gesicht war in die Abwesenheit zurückgekehrt,
hatte sich selbst vergessen und zerstreut. -
(
bs2
)
Schwaden (2) Oh! Nehmen Sie sich in
Acht, junge Damen, wenn Sie in der Sehnsucht versinken, die die Müdigkeit des
Abends hervorruft, nehmen Sie sich in Acht vor dieser Erregung, die der Tabakduft
erzeugt, wenn ein kühner Verführer auftaucht, dessen Intelligenz selbst vom
Nikotin getrübt ist, der gewissenlos und dessen Moralgefühl folglich pervertiert
und allen Reizen der Ausschweifung ausgeliefert ist. Oh! Hüten Sie sich vor
diesen Schwaden der Nacht, die es verhindern, dass Sie das Gesicht des lasziven,
immer bestialischen, häufig hässlichen und abstoßenden Menschen erkennen, und
fliehen Sie ins große und reine Licht einer Morgensonne! Wie viele Fehler, begangen
in tiefer Finsternis, treten ihren Urhebern in ihrem ganzen Folgenreichtum doch
erst am folgenden Tag ins Bewußtsein, beim Erwachen, angesichts dieses frühmorgendlichen
Lichtschimmers, dessen Strahlen bis in den Grund ihrer Seelen zu dringen scheinen!
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L.-F.-L. Bergeret, Die
Leidenschaffen [1878], nach
(sot)
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