chwachsinn
Ich unter allen Menschen habe mit vierundzwanzig Jahren
erkannt, daß man nicht selbstbewußter zu sein braucht als ich,
um zum Range eines geachteten Mannes emporzusteigen. Schon lange
habe ich behauptet, daß Tugend nichts gilt, daß mein Vater aber
recht hatte, wenn er wollte, ich sollte seine Fachgenossen turmhoch
überragen. Ich begreife durchaus nicht, daß man das Kreuz der
Ehrenlegion an ausländische Persönlichkeiten verleiht, die nur
auf der Durchreise in Frankreich sind. Ich finde, diese Auszeichnung
müßte den Offizieren vorbehalten bleiben, die Tapferkeit vor
dem Feinde bewiesen haben, und den Bergbauingenieuren, die vom
Polytechnikum kommen. Wirklich, der Großmeister des Ritterordens
muß wenig gesunden Menschenverstand besitzen, wenn er Verdienste
anerkennt, wo sie nicht sind. Unter allen Auszeichnungen ist
keine schmeichelhafter als die, Offizier zu sein. Aber es geht
nicht ohne Diplom. Mein Vater hat seinen fünf Kindern, Jungen
und Mädchen, die beste Schulausbildung und eine gute Erziehung
zukommen lassen. Das ist freilich kein Grund, bei einer Behörde,
die nicht zahlt, eine ehrenamtliche Stelle anzunehmen. Beweis:
wenn man wie mein ältester Bruder, mehrfacher Mitarbeiter bei
Zeitungen, in der Lage ist, unter Leuten, die ihr Abitur in Sprachen
und Naturwissenschaften haben, den Vogel abzuschießen, dann kann
man wohl sagen, man sieht, aus was für einem Stall er kommt.
Aber es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe,
wie es heißt. Ich habe in der Innentasche meines Sommerjacketts
den Plan für ein Unterseeboot, den ich der Landesverteidigung
vorlegen will. Die Kabine des Kommandanten ist rot eingezeichnet,
und die Torpedorohre sind vom neusten hydraulischen Modell mit
artesischer Steuerung. Die Asse der Landstraße zeigen keine größere
Energie als ich. Ich kann ungeniert versichern, daß die Erfindung
zwangsläufig ein Erfolg wird. Alle Menschen sind Anhänger der
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und, füge ich hinzu, der
wechselseitigen Haftpflicht. Aber das ist kein Grund, sich nicht
gegen die zu wehren, die uns zur See angreifen. Ich habe an den
Präsidenten der Republik ein Geheimschreiben in Ministerformat
gerichtet und um eine Audienz nachgesucht. Das Mittelmeergeschwader
kreuzt zur Zeit auf der Höhe von Constantine, aber der Admiral
erteilt zu viel Urlaub. Und wenn sich ein Soldat auf die Knie
wirft aus Devotion vor seinem Vorgesetzten — Befehl ist Befehl.
Für die Manneszucht ist es nur von Vorteil, wenn der Befehlshaber
gerecht, aber streng ist. Man bekommt die Litzen nicht für nichts
und wieder nichts, und Marschall Foch hatte es wohl verdient,
Marschall Foch zu sein. Das Freidenkertum hat den Fehler gemacht,
sich nicht in den Dienst des Vaterlandes zu stellen.
Ich lege auch großen Wert darauf, daß die Marinefüsiliere
umgetauft werden, ich bin deshalb bei der Liga für Menschenrechte
vorstellig geworden. Diese Bezeichnung ist ihres Exerzierkragens
unwürdig. Sich Respekt zu verschaffen, ist übrigens ihre Sache.
Das spartanische Griechenland hatte da weitaus mehr Stolz. Schließlich
glaubt der Mensch an Gott, und man hat erlebt, daß erstrangige
Köpfe um die Letzte Ölung gebeten haben, und das will schon was
heißen. - André Breton / Paul Éluard, Die unbefleckte Empfängnis.
Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1930)
Schwachsinn (2) Auch Joseph von Copertino (1603-1663),
der als schwachsinniger Bauernjunge seine Jugend mit Selbstkasteiungen verbrachte,
wurde nicht zuletzt wegen seiner Flugkünste heiliggesprochen.
Mit 22 Jahren hatten ihn die Franziskaner aufgenommen. Er flog vor Freude auf
die Spitze eines Baumes. Von den Gelehrten seiner
Zeit wurden mehr als 70 Flüge bezeugt. Persönlichkeiten wie Prinzessin Maria
von Savoyen und König Johann II. Kasimir von Polen bezeugten die Flugwunder
unter Eid. Die Wissenschaft steht diesen Gravitationsrätseln
ratlos gegenüber. Es gibt zwei Theorien: Eine außergewöhnliche
Kontrolle über den Körper oder eine zeitweilige Störung der Anziehungskraft
der Erde. - (
hoe
)