chutzglocke
Ich entsinne mich der Nymburker Realschule als einer Anstalt
für leicht Schwachsinnige, als einer Anstalt, in der sich Kinder binnen sieben
Jahren zu jungen Männern und Fräuleins mausern. Für mich aber war das funkelnde
Schloß eine ewige Klage- und Angstmauer, ein Ort, an dem ich all die Streßsituationen
durchlebte, von denen ich bis heute nicht loskommen kann. Neben Gesang und Turnen
hatte ich nur in Naturkunde ein Genügend, in allen übrigen Fächern schwamm ich
nicht, sondern ging ich unter, da ich mich nicht aufs Lernen verstand. In dieser
Zeit umschloß mich ständig die feste Glocke der Unwissenheit. Ich schämte mich,
wenn ich aufgerufen wurde, errötete, stotterte nach, was mir die Mitschüler
aus der ersten Reihe vorsagten..., und das erhöhte meine Verwirrung nur. Und
so kam ich, voller Wut, weil ich in der Schule nichts bedeutete, auf den Gedanken,
ich müßte mich irgendwie ins Bewußtsein der Professoren und Mitschüler einprägen,
müßte auch etwas darstellen, müßte beim Unterricht etwas tun, wozu die anderen
nicht fähig waren. Also leistete ich mir unter großer Selbstverleugnung gewisse
Dreistigkeiten, ich setzte mir in den Kopf, über mich hinauszugehen, so wie
das in den amerikanischen Filmgrotesken Chaplin und Frigo und Harald Lloyd taten.
- Bohumil Hrabal, Leben ohne Smoking. Frankfurt
am Main 1993 (BS 1124, zuerst 1986)
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