Schulkameraden  Die beiden Burschen - die ich blöde, geschwätzig und vulgär fand — ödeten mich nicht nur mit ihren Reden an; auch ihre äußere Erscheinung bereitete mir Unbehagen. Der ältere der beiden war geradezu bucklig und sah mit dem Hut auf dem Ohr und dem höhnisch grinsenden Mund in einem bleichen Gesicht zugleich verschlagen und selbstgefällig aus. Ebenfalls sehr blaß und von schmächtigem Körperbau, weniger schwatzhaft als der ältere, sogar verschlossen, folgte ihm der jüngere wie ein Schatten mit seiner traurigen Gestalt unter dem mit breiter Krempe herabhängenden Filzhut, schleppenden Schritts, mit etwas nach vorn geneigtem Oberkörper, im Gegensatz zur prahlerischen Haltung des Behinderten, der auch nicht eine Daumenbreite seines kleinen Wuchses einzubüßen trachtete und sich gemächlich, schwer mit den Schultern rollend, über den Bürgersteig schob, alles und jeden mit unverschämter Aufgeblasenheit musterte, die sich auf seinem knochigen Gesicht breitmachte. Was mir vielleicht am meisten bei meinen beiden Nachbarn auf die Nerven fiel, war, verbunden mit dem trüben Schick und der aufgesetzten Jovialität des ersten, die knechtische Bewunderung des zweiten, der ihm auf Schritt und Tritt folgte und hingebungsvoll den blind ergebenen Gefolgsmann oder die sich aufopfernde Seele zu spielen schien. Mich erfüllte die gute Meinung, die sie offenbar von mir hatten, keineswegs mit Stolz, und immer wenn ich es konnte, ohne eine allzu flagrante Feindseligkeit zu zeigen, schaffte ich mir die beiden vom Hals.  - Michel Leiris. Die Spielregel I. Streichungen. München 1982 (zuerst 1948)
 
 

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