Schritte, reglose   Dem Reichen ist die Sandale unbekannt, er verachtet das Gehen zu Fuß. Der Reiche reist ganz bürgerlich in der Sänfte. Aber der Kuli, gebückt unter einer Rückenlast von mehr als zweihundert Pfund, in einem Land voller Berge und ewiger Treppen, in Etappen, die mehr als zweiWochen zu jeweils sechs schrecklichen Meilen am Tag ausmachen, der Kuli hängt stärker an seinen Sandalen als an seinen Füßen oder an den Tumoren auf seinem Nacken. Reisende haben sich entsetzt darüber - sie haben es nie gesehen - daß Träger unter der Last auf der Straße zusammenbrechen und sterben. - Ich habe nie solche Leichen gesehen. Aber jene stolze, hehre Straße von der Grenze Westchinas nach Tibet ist auf ihrer ganzen Länge mit aufgesprungenen Sohlen, mit toten Sandalen übersät, im Schlamm, in Frost und Sonnenschein. - Und nichts ist kläglicher als die reglosen Schritte, die in ihnen verwesen.   - Victor Segalen, Aufbruch in dasLand der Wirklichkeit. Frankfurt und Paris 1984 (zuerst 1924)
 

Schritt

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