chreibtischbein
Sie log. Das Wesen log. Nun fragte Auguste: « Habe ich Ihnen
vielleicht noch nicht genug Ballast abgeworfen? Soll ich Ihnen vielleicht noch
meine Watte aus den Ohren auf den Tisch legen ? » Und sie legte 2 Wattebäuschchen
auf den Tisch. «Sie können doch unmöglich verlangen, daß ich Ihretwegen auch
noch meinen Unterrock ausziehe. Sie verwegenes Wesen, Sie Kaffer! Und wegen
Ihnen habe ich mir von Ihrer Exzellenz Frau wirkliche geheimgetrocknete Pflaumenerzeugungsrätin,
Frau Alma Schulz, deren hochgeborenen drahtgeflochtenen Abtreter mit z Pferdestärken
senkrecht auf den Kopf hauen lassen. Und dieser Idiot lügt! Habe ich meine 2
Wadenkrämpfe denn umsonst gehabt ?» Und mit diesen Worten wurde Auguste sehr
zornig. Und indem sie mit dem Finger auf den Tisch wies und dazu sagte: « Da,
da ist die Watte», riß sie dem Schreibtisch ein Bein aus. Annalouise Sündig
ergriff ihre beiden Beine und hielt sie fest. Mit diesem Beine des Schreibtisches
zertrümmerte Auguste Bolte die Fenster, daß die Scheiben zur Straße klirrten,
dann den Tisch, die Stühle, ein Kommödchen, Bilder, Spiegel, Nippsachen usw.
Die Bilder an der Wand traten aus ihren Rahmen, und Frl. Annalouise flüchtete.
Inzwischen war der Tee angebrannt. Vielleicht ist dieses der einzige Fall in
der Weltgeschichte, daß Tee angebrannt war. Eine dicke Luft durchwehte die kleine
Wohnung, etwa wie Würmer. Auguste Bolte dachte, wie leicht sie, wenn sie statt
des Wadenkrampfes einen Ramm gehabt hätte, hätte rammdösig geworden sein können.
Die Hausbewohner, erschreckt durch die klirrenden Scheiben, liefen zusammen.
Hier war für Auguste nichts mehr zu erfahren, so viel wußte sie. Und mit Würde
wie eine Autorität verließ sie das Lokal,16 indem sie den ihr begegnenden Hausbewohnern
sagte, sie sollten nach oben laufen, der Tee wäre angebrannt, und es bestände
die Gefahr, das er explodierte.
- Kurt Schwitters, Auguste Bolte. Erzählung. Zürich
1966 (zuerst 1923)
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