chrebergarten
wie damals mit zehn in die strengen regionen der schrebergärtler
die man nur in begleitung erwachsener betreten durfte oder sollte so jedenfalls
wollten es die herren und frauen schrebergärtler in der frohen Zukunft
oder am flohberg draußen hoch über dem ameisbach das gibt ein trauma
meine freunde das mich noch heute in träumen verfolgt durch diese gärten
darfst du nicht einer hinter dir schwingt einen stecken ein anderer eine
sichel oder eine verkrustete harke ehs gfraster ehs wollts ja nur flieder
fladern ribisel raubern rosen abreißen stachelbeer stassen zatraceni kluci
ich rufs gleich den polizei der schrebergärtler hat drei rote rollende
augen und arme die er bis zu drei metern verlängern kann er ist beim laufen
fast so schnell wie wir er besitzt die macht und die herrlichkeit eines
festetablierten tyrannen sogar die eigenen eltern folgen ihm er schreit
nach seinem hund putz weg befiehlt er ihm der hund
bricht durch dahlien und gelbe astern er richtet sich hinter dem jergitschgitter
auf er ist ein treuer Untertan des schrebergärtlers kindsein in wien wenn
die herbstblumen blühn mistbuama hurnbankerten so a erziehung ehs ghörts
alle zum gigerer in d würscht das betreten der kleingartensiedlung ist
nur in begleitung erziehungsberechtigter gestattet ich geh ja eh nur zu
meiner tant das kann ein jeder sagen wie heißt deine tant rosa mayer ja
zu der paßt du grad die mit ihre gaß die hundsmuader
kleingärten der heimkehrer und invaliden deckstationen für deutsche schäfer
und belgische riesen meine tante rosa hatte sieben ziegen und drei hunde
in ihrem schrebergarten was auch der grund war daß ich immer ziegenmilch
trinken mußte weil sie so gut für die lungen ist obwohl ich mein lebtag
nichts auf der lunge gehabt hab o herr o herr i mag koa goasmüch net zwar
hatte ich einmal mit sieben eine lungenentzündung aber nur deshalb weil
ich unbeaufsichtigt einen Schneemann baute da kam ich ins wilhelminenspital
einem von tausend Schrebergärten umgebenen areal und mußte vom stephanitag
1927 bis zum dreikönigstag 1928 in einem bett liegen das so ähnlich aussieht
wie das in dem ich heute 1978 schlafe und das hinter mir steht Stahlrohr
tut not aber ich habs lila gestrichen bitte meine damen sehn sie sich diese
harfe an man versinkt in ihr wie in wolken des morpheus und man muß schon
ein guter techniker sein um in diesem lustgehege was fertigzubringen was
denken sie wie das föderiert jeder stoß ein franzos und quietschen tut
das gestell ein wahrer graus für buhl und buhlschwester alles schöne geflüster
verreckt in diesem saustall zwerge und wichtel im umkreis von drei salzburgischen
meilen verstopfen sich mit den pullfingern die zarten ohren sie haltens
nicht aus sie verkriechen sich in mauslöchern dachsbauten maulwurfshügeln
feenhäuslein hexennestern zauberstadeln und so weiter um nicht selbst in
Versuchung zu geraten die schönen wilden weiber die fangginnen in den schlüften
und schründen des untersberges zu bespringen denn sowas darf man nicht
und der herr erzbischof hat es schon seit anbeginn seines bißturms verboten
wer beißt wird geleckt werden und wer leckt den beißen die tiger des paradieses
vertreiben ihn mit flammenden scheinwerfern wischen ihm eins aus mit sandpapier
nennen ihn unkeusch und schlimmeres mehr werfen ihn in den honigteich der
bürgerlichen verachtung meinen er sei nicht mehr zu retten ein ausgestoßener
unter den schwarzen fahnen vorkriegschinas neben clark gable und jean harlow
die in einer regentonne badet und tadellos onduliert ist feinst parfümiertes
monsunwasser um po und busen wow da würde selbst joseph wissarionowitsch
für eine weile weich werden der superschrebergärtler in dessen superschrebergarten
ich notgedrungenermaßen einsteigen mußte und der mir von jedem hauptplatz
seines reiches eine geballte faust aus papiermaché entgegenreckte auch
von ihm träume ich noch gelegentlich eine ungeheuer autoritäre vaterfigur
bei der ich nie weiß soll ich sie liebhaben oder abgründig hassen im traum
versteht sich aber laufen sie mal drei jahre durch so einen verbotenen
Schrebergarten mit einem derartigen papschi vor der nase und dem monsteroheim
dolfi im rücken ich habs überstanden na schön die schrebergärtler aus breitensee
und ottakring hab ich auch überlebt aber träumen sie mal von diesen und
jenen bei geschlossenem fenster sie werden sich den weißen hai numero eins
und zwei ersparen - H. C. Artmann, Nachrichten aus Nord und Süd.
München 1981 (dtv 6317, zuerst 1978)
Schrebergarten
(2) sind natürlich ein ganz eigenes Thema. Da ist schon viel
darüber gesagt worden, weil allgemein bekannt, dass die Bäume und Sträucher
so gut wachsen, weil eine Leiche immer noch der beste Dünger ist, den du finden
kannst. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen, in den Schrebergärten mehr
Leichen als auf den Friedhöfen, aber die Sondermüllbelastung auf jeden Fall
größer. Weil bei den normalen Friedhöfen nehmen sie den Verstorbenen doch die
schlimmsten Sachen heraus, die Batterien von den Herzschrittmachern, die künstlichen
Gelenke, die Zahnprothesen und Silikonsachen, damit das Grundwasser nicht zu
sehr leiden muss. Und die Schrebergartenleichen werden meistens huschpfusch
in aller Eile verscharrt, Batterien und alles drinnen. Den Pflanzen macht das
komischerweise nichts aus, die gedeihen auf Teufel komm raus, aber langfristig,
das Grundwasser muss es büßen. - Wolf Haas, Der Brenner und der liebe Gott. Hamburg 2009
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