Schraube   In einem seiner Bücher spricht Morelli von jenem Neapolitaner, der Jahre damit zubrachte, vor der Tür seines Hauses zu sitzen und eine auf dem Boden liegende Schraube zu betrachten. Nachts hob er sie auf und legte sie unter seine Matratze. Die Schraube war zuerst Gelächter, dann Spott, allgemeine Verunsicherung, Versammlung der Nachbarn, Zeichen einer Verletzung der Bürgerpflichten, zuletzt Achselzucken, Friede. Die Schraube war der Friede, keiner konnte durch die Straße gehen, ohne einen verstohlenen Blick auf die Schraube zu werfen und dabei zu fühlen, daß sie der Friede war. Der Kerl starb am Herzschlag und die Schraube verschwand, kaum daß die Nachbarn herbeigeeilt waren. Einer von ihnen bewahrt sie auf, nimmt sie vielleicht heimlich heraus und betrachtet sie, steckt sie wieder weg und geht in die Fabrik, und er fühlt etwas, das er nicht begreift, einen dunklen Vorwurf. Er beruhigt sich nur, wenn er die Schraube hervorholt und sie betrachtet, er betrachtet sie so lange, bis er Schritte hört und sie schnell wegstecken muß. Morelli war der Ansicht, die Schraube müsse etwas anderes sein, ein Gott oder so etwas. Eine zu simple Lösung. Vielleicht liegt der Irrtum in der Annahme, das Ding müsse eine Schraube sein, weil es die Form einer Schraube hat. Picasso nimmt ein Spielzeugauto und verwandelt es in das Kinn eines Pavians. Womöglich war der Neapolitaner ein Idiot, aber er kann ebensogut der Erfinder einer Welt gewesen sein.  - (ray)
 
 

Werkzeug Zusammenhalt

 

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