chönheitsfehler Aufreizend
gekleidet, in langen Spitzenröcken gehen die Prostituierten
auf und ab. Es können aber auch die Ehefrauen von Friseuren
und Stehgeigern sein. Sie gehen raubtierhaft, schleifenden Schrittes und haben
in den unguten, verkommenen Gesichtern einen unbedeutenden
Schönheitsfehler, der ihr Wesen noch unterstreicht: sie schielen
mit schwarzem, krummem Blick oder haben einen zerfetzten
Mund oder ermangeln der Nasenspitze. - Bruno Schulz, Die Krokodilgasse, in (
bs
)
Schönheitsfehler (2) Sie war von mittlerer Größe, nicht viel mehr, und hatte eine Figur, die, wenn ich mir dazu ein Urteil erlauben darf, vollkommen war: eine griechische Statue in Person. Ich hatte Gelegenheit, mir davon ein Bild zu machen, denn bis auf einen kleinen Perlenschurz und eine einzige Kette aus großen blauen Perlen um den Hals trug sie das Kostüm — nun, eben einer griechischen Statue. Ihre Züge wiesen keinen negroiden Einschlag auf; im Gegenteil, sie waren ungemein fein gezeichnet, die Nase vorspringend und gerade und der schmollend aufgeworfene Mund, durch den elfenbeinerne Zahne lugten, sehr klein. Die Augen, groß, dunkel und feucht wie Antilopenaugen, unter einer glatten, breiten Stirn, darüber lockiges, aber nicht krauses langes Haar. Dieses Haar war übrigens nicht, wie es bei den Eingeborenen hier der Brauch war, großartig hochgesteckt, sondern schlicht in der Mitte gescheitelt und im Nacken zu einem großen Knoten gebunden, so daß die. kleinen Ohren durch die Locken lugten. Die Hände waren wie die Beine sehr klein und feingliedrig und die Rundung ihrer Brüste weich und voll, ohne derb zu sein oder auch nur einen Anflug von Derbheit aufzuweisen.
Eine wirklich hübsche Person; und dennoch hatte das liebliche Gesicht etwas
Widriges an sich, das mich trotz der kindlichen Formen an eine reife Blüte erinnerte,
die man nicht mit Jugend und Unschuld assoziiert. Ich versuchte herauszufinden,
was der Auslöser sein mochte, und gelangte zu dem Schluß, daß es, obwohl es
nicht hart war, altklug und gewissermaßen zu nachdenklich wirkte. Ich spürte
gar, daß der Verstand in dem hübschen Köpfchen scharf und hell wie polierter
Stahl war; daß diese Frau zum Herrschen geboren war, bestimmt nicht zum Spielzeug
männlicher Willkür oder auch zur liebenden Gefährtin, und den Mann für ihre
Ziele benutzte. -
Henry Rider Haggard, Kind des Sturms. München 1990 (zuerst 1913)
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