chneesturm »Ein Schritt, und ich kam aus der Maisonne, mit einem Weitblick ostwärts durch die offene und offenbare Leere bis zum Escorial und westwärts ebenso bis auf die Plaza Mayor von Salamanca, wenn nicht gerade in die Polarfinsternis, so doch in das vorpolare konturlose letzte Dämmern an der winterlichen Beringsee; kein Flockentreiben, sondern ein Speien, und bald auch nicht mehr von einzelnen Flocken, sondern einer fast zwischen-raumlosen, mir weiter und weiter entgegengeschleuderten, pappigen, bald auch mitnichten mehr schneeweißen, sondern die Düsternis, außer in den sporadischen, beinah willkommenen Blitzen noch vertiefenden, in der Luft schon zusammengeballten und verharschten Erstickens-Masse.«
»Und seltsam, und seltsam überdies, daß mir das erst, indem ich dir davon erzähle, klar wird: Wie schnell ich, gerade noch voller Freude am Leben, dem eigenen, und dem Dasein, dem universellen, mir einbildend, dort im Baumlosen schon die Lindenblüten vom Juni zu riechen, von einem Knieheben zu anderen daran war, aufzugeben und tot zu sein. Gleich wird es aus sein mit mir, habe ich gedacht. Noch ein paar Schritte, und ich werde nicht mehr anders können, als mich fallen zu lassen. Und wenn ich gefallen sein werde, werde ich an Ort und Stelle liegenbleiben und nicht mehr aufstehen.«
»Die Naßschneefetzen fielen und klatschten herunter auf den Erdboden. Dieser
war frühlingswarm und an den Felsflächen bereits sommerwarm. Aber der Schnee
schmolz bald nicht mehr. Er stieg. Er stieg höher und höher, so schnell wie
ein Bachbett beim Hochwasser im Gewitter. Schon reichte er mir bis über die
Knie. Schon längst reichte er mir an den Bauch. Ich stolperte. Dann fiel ich
hin, wenn auch nur fast. Ich krabbelte. Du kannst mich noch immer dort eine
Strecke dahinkriechen sehen, auf allen vieren, halb blind, hechelnd, wimmernd,
speichelnd - dann kein Speichel mehr.« - Peter Handke, Der Bildverlust. Frankfurt am Main 2002
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