Schmetterlingswolke    Von der Stadt war eine schwarze Wolke in den Himmel aufgestiegen und schwebte jetzt über ihr.

Nach einiger Zeit blickte Hasten zurück. Die Wolke befand sich noch immer da - aber sie war größer geworden. Und sie war nicht mehr schwarz; im klaren Licht des Tages begann die Wolke zu schillern und in allen Farben zu glänzen.

Hasten beschleunigte seine Schritte; er lief einen Hang hinauf und noch einen. Für eine Sekunde blieb er stehen und legte das Armband an. Es war laut zu hören; er war nicht weit von der Kugel entfernt. Er schwenkte seinen Arm, und das Klicken schwoll an, nahm dann wieder ab. Nach rechts. Er wischte sich den Schweiß von den Händen und ging weiter.

Einige Minuten später sah er von einer Anhöhe herab und erblickte eine still im Gras ruhende glänzende Metallkugel, von der kalter Tau tropfte. Der Zeitwagen. Rennend und rutschend eilte er hinab und auf ihn zu.

Er schob gerade mit seiner Schulter die Tür auf, als über der Anhöhe die erste Wolke von Schmetterlingen erschien und sich ihm lautlos näherte.

Er schloß die Tür, setzte seine Last ab und lockerte seine Arme. Seine Hand brannte heftig. Aber er hatte dafür keine Zeit - er eilte zum Fenster und spähte hinaus. Die Schmetterlinge schwärmten auf die Kugel zu, flatterten und tanzten in blitzenden Farben über ihm. Sie ließen sich auf dem

Metall und auf dem Fenster nieder. Schlagartig wurde ihm die Sicht genommen von schimmernden, weichen, pelzigen Leibern, deren schlagende Flügel sich eng aneinander quetschten. Er lauschte. Er konnte sie hören. Ein gedämpftes, echoartiges Geräusch, das von allen Seiten kam. Im Innern der Kugel wurde es dunkel, als die Schmetterlinge das Fenster völlig verdeckten. Hasten schaltete die Beleuchtung an.

Die Zeit verging. Hasten betrachtete die Zeitungen, wußte nicht, was er tun sollte. Zurückkehren? Oder die Reise fortsetzen? Am besten vielleicht einen Sprung etwa fünfzig Jahre in die Zukunft machen? Die Schmetterlinge waren gefährlich, aber womöglich nicht das Eigentliche, das, wonach er suchte: der tödliche Faktor. Er betrachtete seine Hand. Die Haut war schwarz und hart, eine tote Stelle, die größer wurde. Leichte Unruhe befiel ihn; es wurde schlimmer, nicht besser.

Die Kratzgeräusche ringsum wurden unerträglich; Hasten wurde nervös. Er legte die Bücher hin und schritt auf und ab. Wie konnten Insekten, selbst so große Insekten wie diese hier, die menschliche Rasse vernichten? Zweifellos konnten Menschen sie doch leicht bekämpfen. Es gab Schutzkleidung, Gifte, Sprays.

Ein Stückchen Metall, ein winziges Teil, schwebte auf seinen Ärmel herab. Er wischte es fort. Ein zweites Stückchen fiel herab, gefolgt von haarfeinen Eisenspänen. Er zuckte zusammen, blickte ruckartig nach oben.

Da oben bildete sich ein Kreis. Rechts davon erschien ein zweiter Kreis und dann ein dritter. Überall bildeten sich Kreise in der Wand der Kugel. Er lief zum Armaturenbrett und betätigte die Sicherheitsschaltung. Die Geräte begannen zu summen. Hasten stellte die Indikatortafel ein. Immer mehr Metallteilchen regneten herab. Ein ätzender Genich ging von ihnen aus, der Geruch irgendeiner Substanz. Säure? Irgendein natürliches Sekret. Ein großes Metallstück fiel herab; er drehte sich um.

Die Schmetterlinge drangen in die Kugel ein, flatterten und tanzten auf ihn zu. Das herabgefallene Stück war eine säuberlich herausgeschnittene Metallscheibe gewesen. Er hatte keine Zeit, darauf zu achten; er griff nach dem Schweißbrenner und schaltete ihn an. Die Flamme brauste und gurgelte. Während die Schmetterlinge auf ihn zukamen, umklammerte er mit aller Macht den Griff und richtete die Öffnung nach oben. Die Luft war plötzlich voll brennender Partikel, die auf ihn niedergingen, und ein übler Geruch erfüllte die Kugel.

Er betätigte die letzten Schalter. Die Anzeigen leuchteten und flackerten, unter ihm bebte der Boden. Er legte den Haupthebel herum. Immer mehr Schmetterlinge drängten in die Kugel. Plötzlich krachte eine zweite Metallscheibe zu Boden, und ein zweiter Schwärm verschaffte sich Zugang. Hasten wand sich, wich zurück, die speiende Flamme des Schweißbrenners nach oben gerichtet, Aber immer mehr Schmetterlinge kamen hereingeschossen.

Dann war es plötzlich still, so plötzlich, daß Hasten ungläubig blinzelte und sich die Augen rieb. Das unaufhörliche, beharrliche Kratzen war verschwunden. Er war allein - mit einer Wolke aus Asche, die auf alles in der Kugel niederging: die Überreste der Schmetterlinge, die in die Kugel eingedrungen waren.  - Philip K. Dick, Eindringling. In: P.K.D., Kolonie. Sämtliche Erzählungen Band 2. Zürich 1999

Schmetterling Wolke

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