chmetterling
Ein Zufall, wie nicht selten in der
Geschichte der Wissenschaft, brachte den Stein ins Rollen. Bei einem wiederholt
vorgenommenen Start des Programms mit nahezu gleichen Ausgangsdaten produzierte
das Mikroklima zwei zunehmend abweichende Wetterverläufe. Wie war das zu
erklären? Bei der Suche nach möglichen Ursachen stieß Lorenz auf
geringfügige Rundungsabweichungen bei den eingegebenen Ausgangsdaten. Zunächst
nahm er an, daß sich solche minimalen Abweichungen schon in kürzester Zeit
nivellieren müßten. Doch das Gegenteil trat ein, sein Mikroklima konnte
bereits durch kleinste Differenzen aus der Bahn geworfenwerden. Der Schmetterlingseffekt
— das Prinzip der sensitiven Abhängigkeit eines Systems
von seinen Anfangsbedingungen — war begründet. Winzige Klimaschwankungen
irgendwo auf der Welt konnten an einem anderen Ort und zu einer anderen
Zeit verheerende Folgen haben — Orkane auslösen oder zu Dürreperioden führen.
Bildlich gesprochen, konnte das Schicksal von Menschen durch einen einzigen
Flügelschlag eines Schmetterlings auf der anderen Seite des Erdballs und
den dadurch verursachten Luftzug
eine radikale Wendung nehmen. - Klaus Meier, in: Tohuwabohu. Chaos
und Schöpfung. Hg. Klaus Meier u. a. Berlin 1991 (atv 46)
Schmetterling (2) Für die vorliegende,
endgültige Fassung von Speak, Memory
habe ich nicht nur grundlegende Änderungen vorgenommen und reichliche Ergänzungen
in den ursprünglichen englischen Text eingefügt, sondern mich auch der
Korrekturen bedient, die ich bei der Übersetzung ins Russische angebracht
hatte. Diese Wieder-Anglisierung einer russischen Wieder-Durcharbeitung
dessen, was ganz am Anfang eine englische Wiedergabe russischer Erinnerungen
gewesen war, erwies sich als eine höllische Aufgabe, doch bezog ich einigen
Trost aus dem Bewußtsein, daß eine solche mehrfache Metamorphose,
wie sie Schmetterlingen geläufig ist, von einem Menschen noch nie versucht
worden war. - (
nab
)
Schmetterling (3)
Schmetterling (4) Nun, ja, diese Schmetterlinge
leben von dem Honig der Blüten, dieser Honig ist ein solcher Stoff, der
wahrscheinlich ganz besonders den höchsten Reifearten nahe steht, bevor
sie in Alkohol übergehen. Es mag schon sein, daß ein Schmetterling mit
Alkohol im eigentlichen Sinne fliegt. Alkohol aber ist zum Fliegen zu teuer,
der Schmetterling und die Biene sind beide für den Menschen als Flugvorbild
vielleicht viel zu teuer. Ja, das alles ist schwer za erfahren. Hat da
so ein kleines Tier vielleicht unter seinen Flügeln einen allerwinzigsten
Auspuff für ein Gas, das aus ihm herauskommt, von dem Weingeist, den es
irgendwie aufgenommen hat; findet es nicht jeden Augenblick eine kleine
Tankstelle, so ist es auch nichts mehr mit seinem Flug, - man kann es nicht
wissen. - Ernst Fuhrmann, Der Geächtete. Berlin 1983
(zuerst 1930)
Schmetterling (5) Einst träumte
Dschuang Dschou, daß er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling,
der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou.
Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang
Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, daß er ein
Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, daß er Dschuang
Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling
sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge. -
Dschuang
Dsi
Schmetterling (6) Daß Kolibris Blumen gleichen und Blumen Schmetterlingen und anderen Insekten, ist ja bekannt, aber wie der Totenkopfschmetterling seinen Schädel auf dem Thorax bekommen hat, das bekommt vielleicht niemand zu wissen.
Ich hatte Acherontia atropos niemals gesehen, aber hatte den Verdacht, daß die Abbildungen nicht ganz getreu wären. So ging ich hin und kaufte ihn bei einem Naturalienhändler und fand, daß die Wirklichkeit den Totenkopf mit einer schlagenderen Ähnlichkeit zeigt als die Bilder. Und dann las ich über ihn, daß die Bretonen von ihm glauben, er bedeute den Tod; daß er einen traurig singenden Laut hören läßt; daß seine Puppe tief unten in der Erde begraben wird; daß die Larve auf echtem Jasmin lebt, auf Bohnen und dem schönen, aber tödlichen Stechapfel.
Da war Verschiedenes für die Phantasie. Die Begräbniszeremonie beim Nachtschmetterling,
der Trauergesang, die giftige Nahrung - - - und dann kommen die Bohnen mitten
hinein, so unschuldig, scheint es, aber an der Donau sagte mir ein frommes Weib,
die Bohnen seien die Köpfe der Toten. - (
blau
)
Schmetterling (7) Wenn man eine Raupe
über die Erde kriechen sieht, die von der gewöhnlichsten Nahrung lebt und die,
wenn ... sie die ihr bestimmte Arbeit verrichtet hat, in einen Zwischenzustand
des scheinbaren Todes übergeht, in dem sie in eine Art Leichentuch gehüllt ist
und in einem Sarg liegt und meist in der Erde begraben ist... und dann, wenn
die Wärme des Sonnenstrahls sie ruft, aus ihrem Grab hervorbricht, ihre Gewänder
ablegt... und als Braut aus ihrer Kammer schreitet — sie genau zu betrachten,
hören Sie, herausgeputzt im Hochzeitsstaat, bereit, sich eines neuen, höheren
Lebenszustandes zu freuen, in dem sich alle ihre Kräfte entwickelt haben, und
angelangt bei der Vollkommenheit ihres Wesens ... wer Zeuge dieses interessanten
Vorgangs wird, kann darin nur eine lebhafte Darstellung des Menschen in seinem
dreigestaltigen Daseinszustand sehen ... Der Schmetterling,
das Ebenbild der Seele, bereitet sich in der Puppe auf seinen zukünftigen Zustand
der Herrlichkeit vor; ... zu einem Zustand der Ruhe kommt er in der Puppe, die
sein Hades ist; und schließlich, wenn er zur Imago wird, bricht er hervor mit
neuer Kraft und Schönheit zur letzten Pracht und der Herrschaft der Liebe. - Kirby
und Spence, nach Stephen Jay Gould: Bravo, Brontosaurus. Die verschlungenen Wege der Naturgeschichte. Hamburg 1994
Schmetterling (8)
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