chleuderbrett       Haben Sie das in die Autobahn,    ungefähr auf der Höhe von Lutter am Barenberg,    eingebaute Schleuderbrett schon einmal mitgekriegt?    Es ist wahr,    die meisten,    auch aufmerksame Fahrer,    kennen es nicht.    Es ist nämlich so gebaut, daß es,    sobald es in Aktion tritt,    den Schleuder-Vorgang auch schon aus dem Gehirn entschwinden läßt.

›Vergessen‹ wäre hier nur ein ohnmächtiger Ausdruck dafür.

Das Schleuderbrett schleudert den Kraftfahrer mitsamt seinem Kraftwagen in die Luft,    läßt ihn, mit dem Fahrzeug, einen Salto Mortale drehen,    läßt dann das Auto auf den Rädern landen,    und sogleich wieder weiterfahren,    als sei nichts geschehen.

Dieser Vorgang wird nun nicht gerade >vergessen<,    er wird vielmehr im Gehirn     verselbstverständlicht,    und zwar so,    daß er sogleich zum Alltag gehört;    und somit wird er nicht,    oder-fast-nicht,    wahrgenommen.    Wer merkt schon, worin er sich gerade befindet!    Katharina jedenfalls merkt es nicht;    der Plattenmann merkt es nicht;    ich merke es, das-ist-mein-Verdacht,    sehr-oft-nicht.    Für alle, die in diesem Moment semiologisch gerade nicht ganz auf der Höhe sind,    macht der Schleuderblitz nur eine winzige Denk-Verschiebung aus,    wie ein Wimpern-Glimps.     Glimps!   - Unbemerkt allerdings ändert sich dabei, vielleicht,    geringfügig-sicherlich-nur,    die Grund-Disposition des Gehirns.

Wie das genau vor sich geht,     warum es so ist,     wem wir diese Einrichtung zu verdanken haben,     was damit erreicht werden soll,    das gehört zu dem vielen, was ich vor-der-Ausstellung noch klären will.

Hier ist nur, subjektiv, meine Selbstbeobachtung festzuhalten:    Ich fiel durch zahlreiche Stockwerke,    aufwärts zuerst, dann abwärts;    auf jedem Stockwerk verglimmte in meinem Gehirn eine Kleinigkeit, zu etwas anderem jedenfalls, als es vorher gewesen war.    Der Trick liegt wohl gerade darin,    daß man das Verglimmen nicht merken soll,    und dann macht einen dieser kleine Ruck noch eingewöhnter, noch sicherer in dem, was man bisher schon akzeptiert.   - Walter Höllerer, Die Elephantenuhr. Vom Autor gekürzte Ausgabe. Frankfurt am Main 1975 (st 266)