Schlendern  Der Fürst der Wolken fuhr ostwärts durch den Luftwirbel, als er auf den Urnebel stieß. Er war damit beschäftigt, sich mit den Armen umschließend, herumzuhüpfen. Der Wolkenfürst war erstaunt; er trat ehrfürchtig zur Seite und fragte:« Wer seid Ihr, Alter, und was tut Ihr hier?»

«Schlendern!» antwortete der Urnebel und hüpfte weiter.

«Ich möchte etwas wissen», sagte der Wolkenfürst.

Der Urnebel hob den Blick, sah ihn an und sprach:  «Bah!»

«Die Gewalt des Himmels ist aus dem Einklang geraten, die Gewalt der Erde ist gefesselt», sagte der Wolkenfürst, «die sechs Einflüsse vertragen sich nicht miteinander, und die vier Jahreszeiten kümmern sich um keine Regel mehr. Ich wünsche die sechs Einflüsse so zu vermischen, daß sie alle lebenden Wesen ernähren. Was soll ich tun?»

«Ich weiß nicht!» rief der Urnebel und schüttelte den Kopf, ohne mit dem Hüpfen aufzuhören; «ich weiß nicht!»

Der Wolkenfürst konnte nicht weiterfragen. Als er aber drei Jahre danach ostwärts durch das Land Yu Sung fuhr, stieß er wieder auf den Urnebel. Er war hocherfreut, eilte heran und sagte: «Habt Ihr mich vergessen, o Himmlischer? Habt Ihr mich vergessen, o Himmlischer?» Er verneigte sich zweimal zu Boden und bat, es möge ihm gewährt werden, den Urnebel zu befragen. Der aber sagte: «Ich wandere, ohne zu wissen, was ich suche. Ich streife umher, ohne zu wissen, wohin ich gehe. Ich schlendere, die Arme um mich geschlungen, vor mich hin und sehe zu, wie alles seinen Weg geht. Was sollte ich wissen?»

«Auch ich streife umher», antwortete der Wolkenfürst, «aber die Menschen folgen allen meinen Bewegungen. So kann ich nicht vermeiden, ihr Lenker zu sein. Darum würde ich mit Freuden einen Rat empfangen.»

«Daß die Ordnung der Welt gestört ist», sprach der Urnebel, «daß die Bedingungen des Lebens verwirrt sind, daß der Wille des Himmels nicht wirkt, daß die Tiere des Feldes auseinandergetrieben sind, daß die Vögel in den Nächten schreien, daß Meltau an Bäumen und Krautern zehrt, daß Zerstörung sich breitet über alles, was auf der Erde kriecht: das ist die Schuld des Regierens.»

«Wohl wahr»,  sagte der  Wolkenfürst, «aber was soll ich tun?»

«Das ist es ja», rief der Urnebel, «woraus das Böse kommt! Kehre um!»

«Es geschieht nicht oft», wandte der Wolkenfürst ein, «daß ich Euch begegne, o Himmlischer! Ich würde mit Freuden einen Rat empfangen.»

«Laß denn», sprach der Urnebel, «dein Herz wirken! Verharre im Nichttun, und die Welt wird aus sich selbst gut sein. Gib deinen Leib auf. Speie deine Sinneskraft aus. Vergiß die Dinge. Werde eins mit dem Ungeschiedenen. Laß deinen Geist los. Mach deine Seele frei. Werde leer. Werde nichts. Laß alle Wesen zu ihrer Wurzel heimkehren. Wenn sie ohne Wissen zur Wurzel heimkehren, wird eine schlichte Reinheit daraus kommen, die sie nie verlieren werden; aber Wissen würde nur Abweichung bringen. Suche nicht die Namen und die Beziehungen der Dinge, und alle Dinge werden aus sich selber blühen.»     - (tschu)

 

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