chleicher    Wer schleicht, sich vorwärts neiget, zurück geht im Entgegenkommen, leise-schüchtern Grobheiten sagt, dich scharf fixiert, sobald du dich wendest, und dir nie gelassen in's Gesicht sehen darf; der von keinem Menschen Gutes spricht, als von Bösen; wider jeden Beruf Exceptionen, wider jede Behauptung Widersprüche in Bereitschaft hat - o, könntest du seinen Schädel befühlen - welche versteckte Mißform! Welche irreguläre Knotten! Welche pergamentne Weichheit und eiserne Härte zugleich! Fliehe! Du verlierst in seiner Atmosphäre, auch wenn du zu gewinnen scheinst. - Betrachte, sag' ich auch hier wieder, die Falten seiner Stirn - wenn er einen geraden, unschuldigen, religiösen Mann ekrassiert, und einem harten Schalk das Wort redet. - Die Verworrenheit derselben wird dir das Verworrene des Charakters klarer als klar zeigen.  - Johann Caspar Lavater, Hundert physiognomische Regeln (nach: Projekt Gutenberg)

Schleicher (2)  Champcenetz der Ältere ist ein mysteriöser Mensch. Man kann nicht sagen, daß er in ein Zimmer eintritt, er fädelt sich hinein. Er schleicht sich hinter den Lehnen der Sessel entlang und nistet sich im hintersten Winkel ein. Wenn man ihn nach seinem Befinden fragt, flüstert er: »Schweigen Sie doch! Spricht man davon denn öffentlich?«  - Rivarol, nach (riv)

Schleicher (3) Dieser Mann teilte alles sehr gerne mit, was ihn nichts kostete, unter allen aber Komplimente, beleidigte niemanden, wenigstens wußte man es nicht, hatte allezeit eine liebreiche Miene und seine Bescheidenheit war so groß, daß sie in der Stimme sogar an das Klägliche grenzte, er passierte bei vielen Leuten für tugendhaft und bei den meisten für demütig, kurz er war von der Art Leute, die man so ziemlich häufig antrifft, und die man in England mit dem Namen sneaking rascals zu beehren pflegt.  - (licht)

Schleicher (4)

- Paul Conroy

Schleicher (5)   Bloß Im Christenthum ist das eigentliche Opfer weggefallen, wiewohl es in Gestalt von Seelenmessen, Kloster-, Kirchen- und Kapellen-Bauten noch daist. Im Uebrigen aber, und zumal bei den Protestanten, muß als Surrogat des Opfers Lob, Preis und Dank dienen, die daher zu den äußersten Superlativen getrieben werden, sogar bei Anlässen, welche dem Unbefangenen wenig dazu geeignet scheinen; übrigens ist dies Dem analog, daß auch der Staat das Verdienst nicht allemal mit Gaben, sondern auch mit bloßen Ehrenbezeugungen belohnt und so sich seine Fortwirkung erhält. In dieser Hinsicht verdient wohl in Erinnerung gebracht zu werden, was der große David Hume darüber sagt:

Ob dieser Gott als ihr besonderer Beschützer, oder als der allgemeine Herrscher des Himmels betrachtet wird - seine Anbeter haben jedenfalls das Bestreben, sich durch jeglichen Kunstgriff in seine Gunst anzuschleichen; und in der Voraussetzung, daß er, wie sie selbst, an Lob und Schmeichelei Gefallen habe, sparen sie keinerlei Lobeserhebung oder Uebertreibung in ihren Anreden an ihn. In demselben Maße, wie die Befürchtungen oder Nöte der Menschen dringender werden, erfinden sie immer neue Schmeichelreden, und jeder, der seine Vorgänger im Aufbauschen von Verherrlichungen seiner Göttlichkeit übertrifft, kann darauf rechnen, von seinen Nachfolgern mit neueren und pompöseren Ausdrücken der Lobpreisung ausgestochen zu werden. So fahren sie fort, bis sie bei der Unendlichkeit selbst ankommen, über welche hinaus kein weiteres Fortschreiten mehr möglich ist.

- Schopenhauer, Noch einige Erläuterungen zur Kantischen Philosophie. Nach (schop)
 

 

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