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licht
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Schlag (2) Als ER seinerzeit alle Schweine im Reich zählen und aufzeichnen ließ und den Bauern genau vorschrieb, wieviel sie davon jährlich für ihren Eigenbedarf der Hausschlachtung zuführen durften, da wurde den Vertretern des Nährstandes klar, was die Uhr geschlagen hatte. Damals herrschte eine große Unzufriedenheit unter der Landbevölkerung der Ostmark, da ER ihren Bedarf an Fleisch weit unterschätzt hatte. Selbst ein Sohn dieses Landes, schien ER sich gleichwohl keine rechte Vorstellung mehr davon zu machen, wieviel Schweinernes der ostmärkische Bauer zur Aufrechterhaltung seiner Laune und Arbeitskraft benötigte. Eigentlich hätte ER wissen müssen, daß jeder Versuch, die Ernährung dieser Menschen auf Marmelade und Sojabohnen umzustellen, von vorne herein zum Scheitern verurteilt war.
Nachdem nun dieser unselige Befehl von Berlin aus ergangen war, begann in Seinem Ahnengau das große Schweineverstecken und Schwarzschlachten. Bei diesen gesetzwidrigen Hausschlachtungen kam es darauf an, das Schwein dazu zu bringen, daß es sich vor seinem Tode jedes verräterischen Schreies enthielte. Das in Friedenszeiten gebräuchliche Abstechen kam nun nicht mehr in Frage. Auch Erschießen verbot sich wegen der damit verbundenen Lärmentwicklung. Die Landwirte verfielen darum auf eine einfache Betäubungsart. Diese Betäubung ins Werk zu setzen, bedurfte es lediglich einer schweren Axt, die dem schlafenden Tier in finsterer Nacht mit
Wucht gegen die Hirnschale geschlagen wurde, so daß es sich außerstande sah, noch einen Ton von sich zu geben. War das todgeweihte Tier gefällt, konnte man ihm das lange Schlachtermesser ins Herz stoßen.
Mein Vater sagte, es kommt darauf an, daß der erste Schlag sitzt. Der erste Schlag muß sitzen, sagte mein Vater. Wenn der erste Schlag nicht sitzt, sagte mein Vater, kannst du nach Mauthausen kommen. Du bist ein Saboteur, sagen sie, wenn sie dich erwischen, sagte mein Vater. Mein Vater sagte, gleich der erste Schlag muß hinhauen. Haut nicht gleich der erste Schlag hin, sagte mein Vater, dann ist die Schweinerei fertig. Du mußt genau den Punkt treffen. Triffst du den Punkt nicht genau, ist der Teufel los. Die Sau hält dann nicht mehr still, sagte mein Vater. Und du hast den Nachbarn oder gar schon die Gendarmerie aufgeweckt.
Ich schwitzte jedesmal Blut, wenn Vater die große Axt nahm, sich bekreuzigte,
In Gottes Namen! sagte und in den Stall schlich. Wir
sollen uns hinsetzen, sagte er noch, und einen schmerzensreichen Rosenkranz
beten. Daß Nero nicht wieder anschlägt. Und daß hoffentlich kein Judas unter
den Dienstboten ist. In zehn Minuten ist alles vorbei, sagte mein Vater. -
Alois Brandstetter, Überwindung der Blitzangst.
München 1974 (dtv sr 27, zuerst 1971)
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