Schlafsaal    Zu den übrigen Heimkindern, ausschließlich Jungen, fühlte er sich niemals hingezogen. Mit ihnen wollte er so-wenig-wie-möglich zu tun haben, u das lange bevor Die-nächtlichen-Spiele..... im Schlafsaal begannen: Rituale von Älteren..... an jüngeren vollzogen, die, als hätte das Gemäuer dieses Hauses sie ausgeschwitzt, stets Entblößung, Demütigung, Erniedrigung hießen. Und wer der-Heimleitung Die Spiele verriet od gar die-Anführer preisgab, dem blühten Flurkloppe: der Spießrutenlauf, nackt, den Korridor sooft entlang, bis der-Verräter unterm Hagel von in Waschlappen gewickelten Kernseifestücken blutend zusammenbrach. Im Wiederholungsfall od bei anderen Delikten, die dem Ehrenkodex der Kinderhorde nach als besonders schwere Vergehen galten, folgte die Strafe Ein Neger seilt sich ab: Das zu strafende Kind wurde dazu von Anderen rücklings auf den Boden geworfen & dort wie angenagelt festgehalten. Dann hockte sich Der Vollstrecker über den am Boden Liegenden, preßte seinen entblößten Hintern auf dessen Gesicht & schiß ihm in den offengehaltenen Mund. Oftmals auch bildeten solche Spiele den Abschluß von Saufereien, die in Dunkelheit der zur Nachtruhe befohlenen Stunden im Heim stattfanden. Zigaretten & Alkohol, von Älteren ins Heim geschmuggelt, machten die Runde -. Und wollten die Stärksten Unterhaltung, dann folgte zumeist das Neger-Spiel..... Grund zum Bestrafen l Jüngeren-Schwächeren fand sich immer, er war der Jüngere—Schwächere. Gegen Morgen im Vollrausch auf den Latrinen im kaltscharfen Tabakgestank kotzten die Ungeübten u Neulinge-im-Saufen; die Älteren, 12- bis 14jährige, waren auch die älteren Alkoholiker, sie kotzten nicht.- Auf die Entdeckungen der nächtlichen Gelage hin folgten von der Heimleitung verfügte Strafappelle: Unter den riesigen Bildnissen von Marx Stalin Pieck vor allen Versammelten abzuhalten Kritik-&-Selbstkritik solange, bis die-Schuldigen am nächtlichen Gelage ausfindig gemacht & das verbotene Zeug konfisziert war. Andernnachts wieder Zigaretten & Schnaps; daran war niemals Mangel, als würde das-Sumpfland—ringsum Zigaretten&schnaps aus unerschöpflichen Vorräten hergeben. Diese stur abgehaltenen Saufgelage der Kinder im Waisenhaus (wie Irrlichter im Nachtdunkel auf den Latrinen die aufglühenden Zigaretten) blieben über-die-Jahre erhalten & Die Spiele..... - und andernmorgens kotzen mußten immer weniger. /    - (jir)

Schlafsaal (2)   Bernhardt Waitzmann röchelt beim Einschlafen. Einige Jungen schleichen sich nachts in den Mädchenschlafsaal und spielen Gespenster.

Walter Dirks legt sich zu Harriet Moll ins Bett. Wolfgang Brettschneider steigt aus dein Fenster und versteckt sich in dem Kinderheimwäldchen, um zu rauchen. Detlev träumt von seinen Aquarellen mit den Juden. Er träumt, daß er Violett und Orange nebeneinander gemalt hat, obwohl es geschmacklos ist. Er träumt, daß seine Mutter gestorben ist und SS-Leute in silbernem Ornat an ihrem Grab stehen und weinen. Es wird dunkler und Detlev befindet sich in dem Sarg seiner Mutter und klopft, um rauszukommen. Klopft. Der Gauleiter ließ ihn auf dem Scheyerner Marktplatz hinrichten und als letzten Wunsch hatte Detlev ein Löffelei haben wollen und hatte es mit einem ausgebissenen Zinklöffel gegessen. Detlev hat nicht gemerkt, daß er aufgewacht ist.

Die erholungsbedürftigen Jungen schlafen reihenweise in ihren weißen Betten.

Nebenan Harald Wohlers klopft, klopft.

Detlev erkennt die weiße Wand des Schlafsaals und erkennt im weißen Bett den etwas weniger weißen, von der Sonne ein-gedunkelten Körper Harald Wohlers'. Er sieht, wie sich der ganze Körper beim Klopfen bewegt. Detlev hört Dicker Jürs' Stimme:

- Bist du soweit? Harald Wohlers' Stimme:

- Ja.

Dicker Jürs' Stimme:

- Dann steck ihn rein! Harald Wohlers' Stimme:

- Das kann ich nicht. Du machst es so eng. Dicker Jürs' Stimme:

- Geht es jetzt glatter? Harald Wohlers' Stimme:

- Ja. Jetzt hin ich drin. Dicker Jürs' Stimme:

- Jetzt fühl ich es auch. Aber es kommt mir so vor, als müßte ich scheißen.

Harald Wohlers' Stimme:

- Du mußt dich mit hin und her bewegen. Dann spritz ich die Sahne schneller ab.

Detlev erkennt ganz klein unter Harald Wohlers' Brustkorb Dicker Jürs' Kopf.

- Jetzt kitzelt mich die Sahne schon vorn an der Spitze, hört Detlev Harald Wohlers' Stimme.

- Der Kolonialwarenhändler hat den Pietl von meinem Freund in den Mund genommen.

Sowas würde ich nicht tun.

Detlev geht wieder der yers über Goethe im Kopf herum.

Detlev sagt:

- Dicker, was machst du denn in Haralds Bett?

- Fliegen fangen, ist das nicht nett?

Er ist also homosexuell und schämt sich nicht einmal dementsprechend. Detlev fühlt, wie sein eigener Diller hart und dick wird und die Bettdecke steht davon ein bißchen ab - wie früher schon mal, als noch kein Krieg war, ehe sie nach Ober-bayeru gefahren sind, vor sieben, acht Jahren. Detlev stellte sich vor, Harald und Dicker kommen und fesseln ihn und berühren sein Pfeiferl unsittlich, nehmen es in den Mund, beißen davon ab, stecken sich es hinten rein.

- Wenn Dicker und Harald mir nur wenigstens ihre Stöcke hinten reinstecken würden. Das ist nicht so schlimm. Ich tu nichts dazu und bewege mich nicht hin und her. Das ist höhere Gewalt. Detlev wiederholt leise:

- Du sollst runtergehen l Du sollst runtergehen! Denn das wäre doch zu peinlich, wenn Tante Karin und Tante Rosemarie kämen und knipsten das Licht an und Detlevs Dödl stünde ab und Dicker Jürs wäre dabei, ihn sich hinten reinzustopfen.  - Hubert Fichte, Detlevs Imitationen "Grünspan".  Frankfurt am Main 2005 (zuerst 1973)

Saal Schlafen

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme