chimpansenkirche ABT Sehen Sie, wie er sich bewegt.
HELGA Wie ein Affe?
ABT Daß der Mensch das Gebiß in die Hand nahm, brachte ihn vom Affen weg. Der Mensch ersetzte seine Eckzähne durch den Faustkeil. Er mußte die Waffe in den Händen tragen, folglich auf den Beinen gehen. Nichts von alledem bei Ihrem Jakob.
HELGA Wie soll ich das verstehen?
ABT Sehen Sie, wie er sich bewegt. Nicht nur seine Bewegungen gleichen denen eines Affen, er versucht auch, sich von Früchten und Wurzeln zu ernähren, Erwarten Sie aber jetzt nicht, daß ich Ihnen sage, daß er seine Hand in den Mund seines Abtes legt nach Art der Schimpansen, wenn sie Angst haben. Wenn er sich auch kratzt, so oft er unsicher ist. Neulich sprach er von einer wunderbaren Erscheinung, die ihn vielleicht von dieser Affenhaltung befreit, er nannte sie Absalom. Ich weiß nicht, inwieweit diese Vorstellung in ihm Macht gewinnt, und ob er danach in völliges Dunkel fällt. Absalom, wissen Sie was davon? Nein. Hoffentlich verbindet sich damit nicht eine gewisse Aufsässigkeit.
HELGA Sie! Sie! Ich will Ihnen mal was sagen! Seit 2000 Jahren kennt
der Mensch Ihre Schimpansen-Kirche! Seit 500 Jahren wagen sich wieder Menschen
aus Ihrem Urwald heraus. Regelmäßig besuchen Sie und Ihresgleichen die Plantaschen
der Pampelmusen und holen sich Ihren Anteil an der Ernte. Obwohl Sie viel Schaden
anrichten, verfolgt man Sie nicht. Sie, hochwürdigster Herr, gehen nur auf 2
Beinen, damit Sie die Nahrungsmittel besser tragen können, auch können Sie auf
2 Beinen stehend gezielter kämpfen. Es war die Kirche, die den Menschen nicht
menschlicher werden ließ als er heute ist, sie hat ihn dehumanisiert. Es ist
ja noch gar nicht vorstellbar, daß der Mensch im Lauf der Jahrhunderte wieder
etwas menschlicher wird als in Ihrem Urwald. Ob er Fähigkeiten wieder gewinnt,
die Sie verkümmert haben? Sie sollte man nur vor dem Aussterben bewahren, weil
Sie unserer Selbsterkenntnis dienlich sind. Ach Jakob, mein Äffchen! Du bist
ein Bild des äffisch Lächerlichen! Ich betrachte dich mit Angst und Abscheu
und Belustigung. Einige Jahre meiner Entwicklung hast du miterlebt. Wie wenig
weiß
ich immer noch von dir! Ob du mich jemals wieder kennen wirst, wenn ich dir
Zeit lasse? - Herbert Achternbusch, L'Etat c'est moi. Frankfurt am
Main 1972