So erfreulich war ihm der Anblick des Landes und Waldes. Und
er strebte mit Händen und Füßen, das Land zu erreichen. Aber
so weit entfernt, wie die Stimme des Rufenden schallet, Hört'
er ein dumpfes Getöse des Meers, das die Felsen bestürmte. Graunvoll
donnerte dort an dem schroffen Gestade die hohe Fürchterlich
strudelnde Brandung, und weithin spritzte der Meerschaum. Keine
Buchten empfingen, noch schirmende Reeden die Schiffe, Sondern
trotzende Felsen und Klippen umstarrten das Ufer. Und dem edlen
Odysseus erzitterten Herz und Kniee; Tief auf seufzend sprach
er zu seiner erhabenen Seele:
Weh mir! nachdem mich Zeus dies Land ohn alles Vermuten Sehen
ließ, und ich jetzo die stürmenden Wasser durchkämpfet, öffnet
sich nirgends ein Weg aus dem dunkelwogenden Meere! Zackichte
Klippen türmen sich hier, umtobt von der Brandung Brausenden
Strudeln, und dort das glatte Felsengestade! Und das Meer darunter
ist tief; man kann es unmöglich Mit den Füßen ergründen, um
watend ans Land sich zu retten! Wagt' ich durchhin zu gehn,
unwiderstehliches Schwunges Schmetterte mich die rollende Flut
an die zackichte Klippe! Schwimm ich aber noch weiter herum,
abhängiges Ufer Irgendwo auszuspähn und sichere Busen des Meeres,
Ach, dann fürcht ich, ergreift der Orkan mich von neuem und
schleudert Mich Schwerseufzenden weit in das flschdurchwimmelte
Weltmeer! Oder ein Himmlischer reizt auch ein Ungeheuer des
Abgrunds Wider mich auf, aus den Scharen der furchtbaren Amphitrite!
Denn ich weiß es, mir zürnt der gewaltige Küstenerschüttrer!
Als er solche Gedanken im zweifelnden Herzen bewegte, Warf
ihn mit einmal die rollende Wog' an das schroffe Gestade. Jetzo
wär ihm geschunden die Haut, die Gebeine zermalmet, Hätte nicht
Pallas Athene zu seiner Seele geredet. Eilend umfaßte der Held
mit beiden Händen die Klippe, Schmiegte sich keuchend an, bis
die rollende Woge vorbei war. Also entging er ihr jetzt. Allein,
da die Woge zurückkam, Raffte sie ihn mit Gewalt und schleudert'
ihn fern in das Weltmeer. Also wird der Polyp dem festen Lager
entrissen; Kiesel hängen und Sand an seinen ästigen Gliedern:
Also blieb an dem Fels von den angeklammerten Händen Abgeschunden
die Haut; und die rollende Woge verschlang ihn,
Jetzo wäre der Dulder auch wider sein Schicksal gestorben, Hätt
ihn nicht Pallas Athene mit schnellem Verstande gerüstet. Aber
er schwang sich empor aus dem Schwalle der schäumenden Brandung, Schwamm
herum, und sah nach dem Land, abhängiges Ufer Irgendwo auszuspähn
und sichere Busen des Meeres. Jetzo hatt er nun endlich die
Mündung des herrlichen Stromes Schwimmend erreicht. Hier fand
er bequem zum Landen das Ufer, Niedrig und felsenleer, und vor
dem Winde gesichert. Und er erkannte den strömenden Gott und
betet' im Herzen:
Höre mich, Herrscher, wer du auch seist, du Sehnlicherflehter!
Rette mich aus dem Meer vor dem schrecklichen Grimme Poseidons!
Heilig sind ja, auch selbst unsterblichen Göttern, die Menschen,
Welche von Leiden gedrängt um Hilfe flehen! Ich winde Mich
vor deinem Strome, vor deinen Knieen, in Jammer! Herrscher,
erbarme dich mein, der deiner Gnade vertrauet!
Also spach er. Da hemmte der Gott die wallenden Fluten Und
verbreitete Stille vor ihm, und rettet' ihn freundlich An das
seichte Gestade. Da ließ er die Kniee sinken Und die nervichten
Arme; ihn hatten die Wogen entkräftet: Alles war ihm geschwollen,
ihm floß das salzige Wasser Häufig aus Nas' und Mund; der Stimme
beraubt und des Atems, Sank er in Ohnmacht hin, erstarrt von
der schrecklichen Arbeit. Als er zu atmen begann, und sein Geist
dem Herzen zurückkam, Löst' er ab von der Brust den heiligen
Schleier der Göttin, Warf ihn eilend zurück in die salzige Welle
des Flusses; Und ihn führte die Welle den Strom hinunter, und
Ino Nahm ihn mit ihren Händen. Nun stieg der Held aus dem Flusse,
Legte sich nieder auf Binsen, und küßte die fruchtbare Erde.
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