chießgewehr Ein Schießgewehr ist ein niedliches Ding. So der schöne blanke Lauf - und der hübsche Kolben, und, nebenbei, man kann auch ein Bajonett dran anbringen. Man tut sonst Patronen rein, kleine Dinger, die mächtig knallen. Ein Schießgewehr hat stets (wenigstens beim Militär) einen zugehörigen Träger und zeigt schon dadurch an, daß es ein nobler Gegenstand ist. D. h., Sie müssen natürlich wissen, daß die Armee nur zum Heil der Menschheit und zur Ehre Gottes da ist. Die Männer, die solche Dinger verwenden dürfen im Kampf gegen das Übel der Welt, heißen meist Runge, die Vorgesetzten: Vogel oder Marloh, oder Kessel ... bei Vorgesetzten ist die Namenswahl, die gebraucht wird, eben größer.
Nun ist auf Erden zweifellos nicht viel Ähnlichkeit mit dem Himmel, und so
besondere Leute, die nicht recht zu leben wissen und in unsere schwierigen Verhältnisse
nicht passen: die werden aus purer Nächstenliebe mit so 'nem Dingsei, 'nem Schießgewehre,
eben in das bessere Jenseits befördert, zu ihrem Wohle. Sie heißen meist Liebknecht
oder Luxemburg, wenn sie Juden sind (was den angeblichen Judenhaß der Deutsch-Nationalen
glänzend widerlegt), oder man sagt bloß: fünfundzwanzig Spartakisten, oder neunundzwanzig
Matrosen, auf der Flucht - Himmelreich. Aber so ein Schießgewehr voll Nächstenliebe
kann nur von einer rechtmäßigen Stelle ausgehen, also: Regierung, Oberst oder
Leutnant. Andere Stellen sind dazu nicht berechtigt, auch sehen solche Gewehre
meist schon ganz heimtückisch bolschewistisch aus, man muß dann von Mord sprechen.
Denn es ist nun mal so, daß auf Erden Ordnung sein muß. Was Ordnung ist, weiß
nur die verfassungs- und gesetzmäßig verankerte Regierung, deren Soldaten und
Gewehre durch Tausende von Pfarrern Gott geweiht werden. Alles andere ist ungesetzlich.
Man nennt es daher Aufruhr oder rote Garde. So was ist ganz gemein, hat mit
Nächstenliebe nichts zu tun und vergnügt sich mit Ermordung unschuldiger Kinder.
Denken Sie nur an den bethlehemitischen Kindermord. Der ging auch vom Spartakus
aus. — Hier taucht übrigens eine Frage auf: Sollte das Ausland mit seiner Behauptung
deutscher Greueltaten im Kriege so ganz unrecht haben? Wir wissen doch, daß
es böse Menschen gibt, diese haben sich als Soldaten verkleidet und haben Schweinereien
gemacht, wie jetzt aber feststeht, waren es lauter Agenten von Spartakus — darauf
muß öffentlich hingewiesen werden. Wozu steht z.B. auf den Plakaten der antibolschewistischen
Liga: Bürger, hütet eure Frauen und Kinder? Doch bloß, weil Frauen- und Kinderschändung
zu den Gewohnheiten dieser Bestien in Menschengestalt, dieser Spartakisten gehört.
Na, die Westmächte, richtig aufgeklärt, werden bald begreifen, daß der deutsche
Militarismus eine ganz evangelische Einrichtung ist. Und wenn sie das erkannt
haben, werden sie mit uns ein Bündnis zur Bekämpfung des Bolschewismus schließen.
Ja, die richtige Aufklärung ist alles. So muß nun gesagt werden, daß die Regierung,
die sehr um das Wohl auch der Bösen besorgt ist, Versuche anstellen ließ durch
mehrere Pfarrer, um auf spiritistischem Wege Nachrichten über das Befinden der
ins Himmelreich Beförderten zu erhalten. Diese Versuche sind gut ausgefallen;
Liebknecht, Luxemburg und Jogiches sowie Landauer
ließen sagen, sie wären Scheidemann sehr dankbar, daß er so viel Geld
für ihre Gesundung ausgegeben habe, denn sie wären richtig gesundet im Himmel.
- Raoul
Hausmann, Ein Schießgewehr voll Nächstenliebe. In: Dada Berlin.
Stuttgart 1977. Hg. Hanne Bergius, Karl Riha
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