cheiterhaufen
der Nutzlosigkeiten
Nach den allgemeinen und systematischen Reformmaßnahmen wandte ich mich nun
den individuellen Beiträgen zu diesem denkwürdigen Freudenfeuer
zu. In vielen Fällen hatten sie etwas sehr Belustigendes. Ein armer Teufel warf
seinen leeren Geldbeutel hinein und ein anderer ein Päckchen gefälschter oder
ungültig gewordener Banknoten. Elegante Damen übergaben den Flammen ihre Hüte
der letzten Saison nebst Haufen von Bändern, gelben Spitzen und vielen anderen
kaum getragenen Putzartikeln, die sich im Feuer als noch weniger haltbar erwiesen
als in der Mode. Zahlreiche Liebesleute beiderlei Geschlechts - sitzengebliebene
Jungfern oder Junggesellen sowie Ehepaare, die einander überdrüssig geworden
waren — verbrannten bündelweise wohlriechende Liebesbriefe und verliebte Sonette.
Ein Hintertreppenpolitiker, der durch den Verlust seines Amtes brotlos geworden
war, warf sein Gebiß hinein, das allerdings künstlich war. Der hochwürdige Herr
Sidney Smith— der eigens zu diesem Zweck den Atlantik überquert hatte — trat
mit bitterem Lächeln an das Feuer heran und überantwortete ihm gewisse Schuldverschreibungen,
die nicht eingelöst worden waren, obgleich sie das prächtige Siegel eines souveränen
Staates trugen. Ein kleiner Junge von fünf Jahren warf im Bewußtsein seiner
für diese Zeit typischen Frühreife seine Spielsachen hinein; ein Hochschulabsolvent
sein Diplom; ein Apotheker, den die Ausbreitung der Homöopathie ruiniert hatte,
seinen ganzen Vorrat an Drogen und Arzneien; ein Arzt seine Bibliothek; ein
Pfarrer seine alten Predigten; und ein feiner Herr der alten Schule seinen Sittenkodex,
den er einst zum Nutzen der nachfolgenden Generation verfaßt hatte. Eine Witwe,
zu einer zweiten Ehe fest entschlossen, ließ schlauerweise das Miniaturporträt
ihres ersten Mannes verschwinden. Ein junger Mann, der von seiner Geliebten
einen Korb bekommen hatte, hätte am liebsten sein verzweifeltes Herz in die
Flammen geschleudert, wenn er nur gewußt hätte, wie er es sich aus der Brust
reißen sollte. Ein amerikanischer Schriftsteller, dessen Werke vom Publikum
nicht beachtet wurden, warf Feder und Papier ins Feuer und widmete sich fortan
einer weniger zermürbenden Tätigkeit. Ich bekam einen gelinden Schrek-ken, als
ich mit anhörte, wie mehrere höchst respektierlich wirkende Damen den Vorschlag
äußerten, ihre Kleider und Unterröcke den Flammen zu übergeben und die Tracht,
zugleich aber auch die Manieren, Pflichten, Ämter und Verbindlichkeiten des
anderen Geschlechts zu übernehmen. - Nathaniel Hawthorne, Das Brandopfer der Erde. In: N.
H., Das große Steingesicht. Stuttgart 1983 (Bibliothek von Babel 9, Hg. Jorge
Luis Borges)
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