cheißding
In diesem Jahr hatte überwiegend ein stürmisches Regenwetter geherrscht. Wenn
es einmal glatt zu regnen schien, so wurden die Passanten von unberechenbaren
Böen und Luftwirbeln überfallen. Wenn sie versuchten, sich mit ihrem Lackner
zu schützen, dann fegten waagrechte Regengüsse darunter hinweg - wenigstens
unter der Gürtellinie wurde man total durchnäßt. In anderen Fällen klappte
der Sturm das Gestell um, machte den Schirm konvex, zu einer Regenschüssel,
zu einem ungebärdigen Sturmdrachen; nach Kräften mühte sich der Benutzer, gegen
Wetter und Federkraft das Gerät zurückzustülpen, doch wenn dies endlich gelungen
war, war es überflüssig: Dann war man schon ganz durchweicht. Bei schwächeren
Menschen verhielt es sich so, daß sie den Lackner einfach nicht aufrecht
und dem Wetter entgegenhalten konnten: Es verbog sich der Schirmgriff, es bog
sich die Hand, der Schirmstoff wurde zerfetzt oder der ganze Schirm ihnen entrissen
und mußte wieder eingefangen werden. Nach immer neuen Kämpfen mit Lackner,
Wind und Regen verloren die meisten die Geduld, fluchten »Scheißding« und steckten,
was vom Lackner übrig war, in den nächsten Papierkorb. Manche ließen
ihn einfach davonwehen. Die Vorgärten und Trottoirs lagen voll von geknickten
Spleißen und Stangen, graue Schirmseide hing in den Hecken; es war, während
der kurzen Sturm- und Regenpausen, kein werbewirksamer Anblick. - Walter E. Richartz, Das Leben als Umweg. Zürich 1988
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