Scheidenvorfall    Es handelte sich um eine Notschlachtung. Eine Stute konnte nicht länger leben, oder doch nur mit der Unterstützung von Menschen, die barmherzig waren und nicht arm. Sie hatte ein Füllen geboren. Es war dabei ein Scheidenvorfall eingetreten, der sich nicht beheben lassen wollte. Wenn sie ruhig im Stall stand, konnte ihre Krankheit nicht bemerkt werden. Legte sie sich nieder oder wurde sie zur Arbeit herangezogen, stellte sich das Leiden ein. Man schonte sie solange wie man ihre Milch für das Füllen als unentbehrlich erachtete. Danach rief man Haakon. Eine schwierige Arbeit. Er war erfreut, mich bei sich zu haben. Wir wurden mit dem Tiere allein gelassen. Man hatte das Füllen aus dem Stall entfernt. Mir wurde sehr ängstlich zumute. Ein großes schönes Tier, das uns, kaum mißtrauisch, beschnupperte. »Sie hat noch Milch bei sich«, sagte er, »hast du jemals Stutenmilch getrunken?« Ich nickte mit dem Kopfe. »Es gibt kein besseres Getränk«, sagte er. Er wurde lüstern darauf. Es geschah, daß ich mich ihm sehr nahe verwandt fühlte. Er zwängte seinen Kopf zwischen die Schenkel der Stute und sog mit seinem Munde an den Zitzen. Wie er davon abließ, übersatt und schwer vom Genuß, tat ich das Gleiche. Es floß etwas seines Speichels und die Süße der Todgeweihten über meine Lippen. Als ich absetzte, behielt ich den Mund voller Milch. Und schluckte sie erst in ganz kleinen Zügen hinab. Wir wußten nicht, welchen Trieben wir gefolgt wären. Es wurde ein schnelles Ende der Lust. Haakon zertrümmerte dem Tiere mit einer Axt das Stirnbein.  - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main 1966 (zuerst 1929)
 

Frauenleiden

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

Synonyme